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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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selbst, sondern drängte es mir regelrecht auf. Ich war damals fünfzehn, und ich weiß noch, wie unwohl ich mich in dem Ding fühlte. Es war so schrecklich auffällig, aber um Mami einen Gefallen zu tun, zog ich es trotzdem an. Als Papi mich darin sah, flippte er regelrecht aus, ich meine, natürlich nicht richtig, er ist nie ausgeflippt, aber er war ziemlich sauer. Woher ich denn diesen Fetzen hätte, ich würde ja aussehen wie ein Hippie. Ein Wort gab das andere, am Ende hat Mami geweint, Papi hat sich entschuldigt, und ich habe das Kleid meiner besten Freundin geschenkt. Er wollte nie, dass ich anders war als die anderen. Möglichst angepasst eben, und diese Erziehung hat gefruchtet. Jetzt ist mir auch klar, warum: Es konnte ja jeder sehen, dass ich nicht seine Tochter bin, also musste ich in die Siefken-Form gepresst werden, um der Umwelt Sand in die Augen zu streuen.«
    »Das hat er doch nicht bewusst gemacht!«
    »Und wennschon. Ich glaube kaum, dass ich ihm jemals seinen Verrat verzeihen kann«, antwortete Anna mit einer Härte in der Stimme, die sie selbst überraschte.
    Ingrid zog die Augenbrauen hoch. »Verrat? Das ist ein heftiges Wort. Ich bleibe dabei: Du bist unfair Eddo gegenüber. Er hat es nur gut gemeint.«
    »Und mich zu einer grauen Maus gemacht. Wer weiß, vielleicht wäre mein Leben viel bunter und spannender verlaufen, wenn er es zugelassen hätte.«
    »Ach? Das glaube ich allerdings nicht. Niemand wird zu etwas gemacht, wenn er oder sie es partout nicht will. Im Übrigen wärest du nicht hier, wenn Eddo dir nicht auch Stärke und Selbstbewusstsein vermittelt hätte. Von deiner Mutter hast du diese Eigenschaften nämlich nicht, es sei denn, sie hat sich, nachdem wir uns aus den Augen verloren, um hundertachtzig Grad gedreht.«
    »Aber sie ist doch nach Nepal gefahren.«
    »Im Schutz einer Gruppe von Freunden. Ich kannte Babsi gut genug, um behaupten zu dürfen, dass sie niemals allein aufgebrochen wäre. Sie brauchte immer jemanden, der sie an die Hand nahm. Du scheinst das nicht nötig zu haben, wofür du Eddo dankbar sein solltest. Was deinen leiblichen Vater anbelangt: Mein Typ war er nicht, zu weich, zu nett, aber ich gebe zu, dass er eine faszinierende Ausstrahlung besaß. So eine Art sensibler Künstler, zart und verletzlich. Niemand kann sagen, was aus ihm geworden wäre. Du weißt ja noch nicht einmal, ob Sylvain zu dir und deiner Mutter gestanden hätte, wenn er von der Schwangerschaft erfahren hätte. Und was dein Leben anbelangt: Mach selbst was draus und warte nicht, dass dir die Entscheidungen abgenommen werden. Keine neue Erkenntnis, aber das macht sie nur umso richtiger.«
    »Du klingst wie Rebecca. Meine beste Freundin«, fügte Anna angesichts Ingrids fragendem Blick hinzu.
    »Die, der du das Kleid geschenkt hast?«
    »Genau die. Es war ihr zu klein, aber sie hat es trotzdem getragen, bis es fast geplatzt ist. Ihr kann es gar nicht verrückt genug sein.«
    »Es beruhigt mich, dass du eine Freundin wie sie hast.«
    Anna lachte auf. »Weißt du, was? Sie sieht dir sogar etwas ähnlich. Alles wiederholt sich.«
    »Na, hoffentlich nicht alles«, brummte Ingrid. Dann stand sie auf und blickte auf Anna hinunter. »Versprichst du mir, aufzustehen, wenn ich jetzt den Raum verlasse? Unten wartet nämlich dein Frühstück auf dich: warmes tibetisches Brot mit Honig und Butter.«
    »Klingt gut.«
    »Eben.« Die Tür fiel hinter Ingrid ins Schloss.
     
    Einige Stunden später wanderte Anna mit Kim zum Zoo von Darjeeling, der am nördlichen Ende der Stadt auf einer bewaldeten Kuppe lag. Es hatte Kim einiges an Überredungskünsten gekostet, Anna aus dem Haus zu locken, aber jetzt war sie froh, auf seinen Vorschlag eingegangen zu sein. Kim besaß die Gabe, sie von ihrem Kummer abzulenken, und sie fühlte sich wohl mit ihm. Sie mochte Kim. Ein bisschen bange hatte sie sich schon gefragt, ob sie ihn nicht sogar zu gern mochte.
    Kim hatte ihr erzählt, dass er seine halbe Jugend im Zoo verbracht und die Zoowärter Löcher in den Bauch gefragt hatte. Das Zoologiestudium bedeutete für ihn die Erfüllung eines Kindertraums, und heute konnte er dem Zoo einiges zurückgeben, indem er aushalf, wenn Not am Mann oder Tier war. Seine Ratschläge und sein Fachwissen waren willkommen, und wo sie gingen und standen, wurde Kim vom Personal mit Handschlag begrüßt.
    Vor einem großen Käfig blieb Anna überrascht stehen. Direkt auf Augenhöhe ruhte ein ungemein putziges Tier auf einem Ast, etwas größer

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