Im Tal des Vajont
draußen zu kalt wäre, auch wenn es erst September war.
Darauf erwiderte sie, dass ihre Gesellschaft doch wohl ausreiche und sie mich genug wärmen würde, wenn ich das meinte, und dazu bräuchte ich weder Hunde noch Katzen noch andere Tiere, und wenn doch, dann würde sie auf der Stelle weggehen. Ich fragte sie, was dieses arme Tier ihr denn Schlimmes antun würde, wenn es uns Gesellschaft leistete, aber sie schrie nur, das interessiere sie überhaupt nicht, sie wolle ihn einfach nicht mehr sehen. Der kleine Hund schien zu verstehen, dass wir über ihn redeten, und drückte sich mit hängenden Ohren und nach vorn ausgestreckten Vorderpfoten flach auf den Boden, wie abwartend, was ich entscheiden würde.
Der Tropfen, der dann das Fass zum Überlaufen brachte, war der Moment, als sie mich erpressen wollte und schrie, entweder sie oder er! Worauf ich antwortete, besser er, denn er bräuchte mich mehr als sie. Mit Vipernaugen verließ sie darauf den Raum, schlug die Tür hinter sich zu und kehrte nicht mehr zurück. Aber auch ich ging nicht mehr zu ihr und behielt mein Hündchen bei mir. Ich taufte es Dorch, was so viel wie der zweite Heuschnitt bedeutet, denn Jaco dal Cuch hatte das Welpennest auf seiner Wiese in einem Heuhaufen gefunden. Es waren drei Männchen und zwei Weibchen gewesen, mit der Mutter, die auf sie aufpasste.
Nachdem sie mich verlassen hatte, verfluchte ich sie noch hundert Mal und wollte für lange Zeit nichts mehr von Frauen wissen. Ich komme gern mit allen gut aus, aber wenn es nicht geht, dann geht es eben nicht. Auch mein Bruder Bastianin wollte keine Frauen mehr, nachdem seine im Wahnsinn gestorben war, stranguliert mit dem eigenen Betttuch in der Irrenanstalt von Pergine Valsugana. Er blieb für immer allein, und manchmal schloss er die Augen und sagte nur: dieser Bastard aus Valdapont. Während ich das jetzt hier aufschreibe, ist er vierunddreißig Jahre alt, und ich wünsche ihm wirklich, wenn erst alles vorbei ist, dass er eine Frau für sich findet und eine Familie mit Kindern gründet. Für mich ist bereits alles vorbei, ich hoffe auf nichts mehr und will auch nichts mehr, zu tief bin ich gesunken, als dass ich mir noch irgendeine Hoffnung machen könnte. Ich warte nur noch auf Gottes Strafe, denn die der Menschen kommt nicht mehr rechtzeitig.
Es vergingen einige Jahre, und ich lebte so fort mit meinen Kühen und Ziegen.
Eines Tages im Spätherbst kam eine Frau mit einem Koffer ins Dorf. Das Leben schien ihr arg mitgespielt zu haben, und der Tod saß ihr schon im Nacken. Sie war spindeldürr mit grauen Haaren, aber die waren nicht gelbgrau wie die der Alten, die nah am Kaminfeuer alt werden. Nein, diese hier hatte graue Haare ohne Gelbstich, wie sie die Alten bekommen, die in der Stadt alt werden. Ich hatte gerade die Tiere versorgt, als sie zu mir nach Haus kam und sich vorstellte. Sie sagte, sie sei unsere Tante, ebendie, welche nach Mailand gegangen war, um dort als Hausdienerin zu arbeiten. Ich konnte kaum glauben, dass sie eine von uns sein sollte, und wenn sie nicht über bestimmte Dinge in unserer Familie Bescheid gewusst hätte, was nur eine, die dabei gewesen war, wissen konnte, dann hätte ich sie wieder fortgeschickt. Aber sie sprach wie wir, in unserem Dialekt, und da war ich sicher, dass sie es war. Ich erzählte ihr gleich von ihrer trunksüchtigen Schwester, die hinter der Tür gestorben war, und auch, dass wir schon brieflich versucht hatten, sie wegen des Begräbnisses zu erreichen, dass aber keiner wusste, wo sie sich aufhielt, nicht einmal ihre Herrschaften, bei denen sie diente und denen wir geschrieben hatten, um sie zu benachrichtigen. Sie fragte mich nach meinem Bruder, und ich sagte, es ginge ihm gut. Dann sagte ich ihr, sie könne es sich in der Zwischenzeit schon bequem machen, während ich hinunter zur Schmiede von Bondi ginge, um Bastianin Bescheid zu geben, dass die Schwester unserer Mutter heimgekehrt sei. Bastianin kam sofort, und auch er war sehr betroffen, die Alte auf der Schwelle des Todes zu sehen, abgemagert, violett im Gesicht und mit einem Bauch so dick wie ein Käsekessel.
Sie richtete sich im Zimmer unserer Mutter ein, und am folgenden Tag wollte sie uns von ihrem Leben in Mailand erzählen. Bevor sie sich schlafen legte, fragte sie noch, ob wir einen Liter Wein für sie hätten, und wenn nicht, ob wir ihr dann einen holen gehen könnten. Jetzt verstand ich, warum es ihr so schlecht ging. Sie trank. Und ich glaube, sie trank noch mehr als
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