Im Tal des Vajont
hatte er nicht gesagt, dass es sein Kind war, sondern dass er mir nur helfen und es aus Mitleid großziehen wolle, denn ich sei ja so ein armes Ding, das einer geschwängert hatte, und deshalb tue ich ihm leid. Ich blieb im Kloster, denn ich hatte zu nichts mehr Energie, nicht einmal mehr zu leben, und die Schwestern gaben mir das bisschen Luft, um weitermachen zu können, und dafür putzte ich für sie und Ähnliches mehr.
Ein Jahr nachdem er mir das Kind fortgenommen hatte, tauchte er wieder auf und übergab mir einen Umschlag mit Geld, und ebenso einen gab er auch der Priorin. Ich fragte ihn, wie es dem Buben gehe, und er sagte, gut, aber von jetzt an müsse ich ihn ganz vergessen, wenn ich nicht großen Ärger bekommen wollte. Ich hätte ihn auf der Stelle am liebsten mit meinen eigenen Händen umgebracht, aber glaub mir, es nützt nichts, sich gegen die Reichen und Mächtigen zu stellen, den Kampf verlierst du immer.
Dann fing ich aus Verzweiflung an zu trinken, damit der Kopf leer wurde und ich nicht immer an meinen Tonin denken musste. Ich streunte durch Mailand und trank so viel, dass ich häufig fast nicht mehr zum Kloster zurückfand. An Geld für Wein und Schnaps fehlte es mir nicht, und die Schwestern drückten ein Auge zu, denn auch die Priorin kannte das Laster des Trinkens. Hin und wieder tranken wir auch zusammen, sie und ich, heimlich in der Klosterküche. Die Priorin war ungefähr zehn Jahre älter als ich und war gewaltsam ins Kloster gebracht worden, wegen einer Erbschaft, die sie nicht erben sollte.
So gingen die Jahre dahin. Eines Morgens war die Priorin nicht aufgestanden, sie lag nach einem Herzschlag tot in ihrem Bett, schwarz wie die Hölle und steif wie Leder. Da wusste ich, dass mir fortan niemand mehr in diesem Kloster helfen würde, und so bin ich zurückgekommen, um hier in meinem Dorf zu sterben. Also, Zino, jetzt kennst du meine Geschichte und weißt auch, dass du und dein Bruder Bastianin irgendwo in Mailand einen Cousin habt, auch wenn nur vom Hörensagen, denn ihr werdet ihn nie kennenlernen.«
Als ich mir diese schlimme Geschichte angehört hatte, konnte ich nur daran denken, wie wenig Glück in ihrem Leben sie doch hatten, die drei Schwestern Binùt, von denen eine unsere Mutter war. Aber auch mein Vater und wir Söhne hatten nicht viel Glück gehabt, und so betete ich zu Gott, er möge unser Schicksal doch etwas zum Besseren wenden, denn mir schien, es war schon genug Unglück geschehen. Wenigstens für mich und Bastianin war es Zeit für eine Wende zum Besseren.
An einem Morgen rief mich die Alte in ihr Zimmer, das einst unserer Mutter gehört hatte, holte von ganz unten in ihrem Koffer ein Stück Karton hervor, aus dem sie dann ein Bündel Geldscheine zog und mir überreichte. Sie sagte, ich könne mit dem Geld machen, was ich wolle, ihr würde es reichen, wenn ich jeden Tag ein wenig Wein für sie kaufte und sie einfach im Haus sterben ließe. Ihre Hände zitterten, als sie mir das Geld gab, nicht etwa, weil sie mir das Geld nicht geben wollte, sondern weil sie trank, denn wenn ein Trinker keinen Wein hat, zittern ihm die Hände. Ich sagte ihr, danke, Tante, du bist ein wahres Glück.
Für einen Teil des Geldes kaufte ich fünfzig Ziegen, aber genau die Hälfte gab ich meinem Bruder Bastianin. Das restliche Geld versteckte ich unter dem Bottich von Maddalena Mora auf dem Ecksekretär, wo schon die Hochzeitsringe meiner Eltern lagen und sicher niemand nach ihm suchen würde.
Die Mailänder Tante tat mir leid, es war nicht gut um sie bestellt, aber ihre Augen ähnelten denen unserer Mutter, und war sie auch alt und abgemagert, sie hatte überhaupt etwas von unserer Mutter, die noch jung war, als sie starb, und die Einzige unter den dreien, die nicht trank. Damit sie sich nicht ganz verlor, nahm ich sie hin und wieder mit zum Weiden der Ziegen auf den Col delle Acacie oder den Cogòl oder auch zum Cerentón. Vor allem, um sie vom Wein fernzuhalten, denn sonst würde sie nur den ganzen Tag damit verbringen, von Pilin Weinflaschen zu besorgen. Dem Wirt sagte ich, dass ich dann alles bezahlen käme, denn sie hatte mir ja das Geld dafür gegeben.
Wenn wir die Ziegen weiden gingen, nahm ich nur Wasser mit, und jedes Mal flehte sie mich an, auch ein bisschen Wein mitzunehmen, aber das gab es nicht bei mir, Wasser und basta. Die Arme, sie war dann so niedergeschlagen, dass es mir das Herz zerreißen wollte, aber es war ja nur zu ihrem Guten, wenn ich nur Wasser mitnahm. Einmal
Weitere Kostenlose Bücher