Im Tal des Vajont
direkt ins Gesicht gesagt, dass sie die Unfruchtbare in der Familie sei. Daraufhin hat sie ohne ein Wort ein Messer genommen und mit Knoblauch bestrichen. Dann plötzlich stach sie zu und hätte ihn direkt in die Brust getroffen, aber er konnte sich noch rechtzeitig mit einem Ruck zur Seite drehen, und so erwischte sie die Schulter. Das also hatte es mit dem Hörnerstoß auf sich, aber Raggio beschwor mich, keinem irgendetwas zu sagen, sonst würde es nur großen Ärger geben, und sie war ja im Grunde nur eine arme Teufelin und verdiente es nicht, ins Gefängnis zu kommen. Dann sagte er mir noch, dass sie die Messerklinge mir Knoblauch bestrichen hätte, weil so kein Blut aus der Wunde kommt.
Armer Raggio, wenn er gewusst hätte, wie teuflisch sie wirklich war!
Wenn er bloß ahnte, was für eine Dämonin sie war!
Hätte er gewusst, dass sie mir gesagte hatte, dass er überflüssig sei und dass es ein Segen wäre, wenn er stürbe, dann hätte er gewiss noch anders gedacht. Aber was Raggio betraf, war ich ja schließlich nicht besser als sie.
Als ich mich das nächste Mal mit ihr unten in der Schmiede meines Bruders traf, fragte ich sie, ob sie nun völlig verrückt geworden sei, etwas Derartiges zu tun, sie hätte Raggio ja fast umgebracht mit dem Messer. Wenn sie ihn getötet hätte, wäre sie jetzt glücklicher, erwiderte sie, und im Übrigen hätte ich ihr dann dabei helfen müssen, ihn irgendwo zu verstecken und das Gerücht zu verbreiten, er sei nach Frankreich oder Österreich ausgewandert. Wenn er tot gewesen wäre, hatte sie schon daran gedacht, sagte sie, ihn unter dem Mist tief unten in der Mistgrube zu vergraben, nach zwei Jahren hätte der Mist dann alles wie eine Säure zersetzt, selbst die Knochen. Und ich hätte ihr dabei geholfen, das Loch im Mist zu machen und ihn darin zu begraben, niemand hätte dann gedacht, dass er tief unten im Mist stecken würde, und nach zwei Jahren hätte er sich ganz aufgelöst. Und wenn später dann der Mist auf Wiesen und Felder geworfen worden wäre, hätte der Nichtsnutz wenigstens dazu gedient, die Erde zu düngen, so als wäre er selbst Mist, in seinem Leben war er ja eh schon ein Stück Dreck.
Ihre Worte erschreckten mich. Wie konnte eine menschliche Person so über ihren Ehemann denken. Ich sagte es ihr ins Gesicht, aber sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, und als ich meine Standpauke beendet hatte, antwortete sie, dass Raggio umgebracht gehört, und wenn ich mit ihr zusammenbleiben wolle, solle ich ihr gefälligst dabei helfen, ihn für immer verschwinden zu lassen, wörtlich: »ihn aus dem Verkehr zu ziehen«. Aber da sie zugleich wusste, dass ich ihr nie dabei helfen würde, so etwas zu tun, sagte sie, sie hätte eh schon geahnt, dass auch ich ganz wie ihr Mann nur ein Nichtsnutz und Schlappschwanz sei.
Ich erwiderte, sie solle es vergessen und es sich endgültig aus dem Kopf schlagen, dass ich ihr dabei helfen würde, Raggio umzubringen. Darüber bräuchte man kein Wort mehr zu verlieren, und ich wolle nichts mehr hören von der Geschichte. Dann, so von Mörderwut gepackt, dass ich sie wegen ihrer Sprüche hätte umbringen können, warf ich sie mit dem Rücken auf den Amboss, den ich genau dazu gebrauchte, wozu er eben dient: als Unterlage für die Hammerschläge. Dabei hielten uns die Kohlefeuer warm, die ich, eins im Schmiedeofen, eins im Heizofen, entzündet hatte, denn es war Winter und kalt, draußen wie drinnen.
Endlich, nach den qualvollen Monaten eines nicht enden wollenden Winters mit Eis und Schnee, kam der Frühling, und wir trafen uns im Wald oder auf den Hochweiden mit dem Vorwand, Holz zu sammeln oder die Ziegen zu weiden. Aber jedes Mal, nachdem wir es gemacht hatten, fing sie wieder mit ihrer Geschichte an, dass wir zu unserem Wohlergehen ihren Mann umbringen müssten. Und jedes Mal antwortete ich ihr dann, dass, wenn ihr wirklich so viel daran läge, sie ihren Mann schon allein töten müsse, denn ich würde Raggio nie etwas zuleide tun. Ich fühlte mich eh schon als elender Schurke, weil ich mit seiner Frau ging, ich hatte ihm schon so viel Leid angetan, das reichte jetzt und war bereits viel zu viel, da musste ich ihn nicht auch noch umbringen.
Das Frühjahr ging vorüber und auch der Sommer, und nichts änderte sich. Heimlich traf ich mich weiter mit ihr, und jedes Mal, wenn wir fertig waren, sagte sie mir, ich soll ihren Mann umbringen.
Dann, an einem Septembertag, geschah etwas, das Raggios Verdacht erregte.
Sie war zu mir in
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