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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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Haselnussholz gegeben, war, wie zu sagen, am Vajont würde es keine Steine geben.
    Schlagartig wurde aus meiner Neugier ein Verdacht, und ich ging dort nachschauen, wo sie mit dem Messer die gelben Stöcke geschält hatte, und hob eine Handvoll der herumliegenden Rindenstreifen auf. Einige wenige waren aus Haselnussholz, aber als ich mir dann die anderen genauer ansah, standen mir vor Schrecken die Haare zu Berge, denn die stammten vom Oleander. Und Spieße aus Oleanderholz bedeuteten nichts anderes als den sicheren Tod. Die sind giftiger als jener tödliche Giftpilz mit breitem Hut, den man Falce bianca oder Grüner Knollenblätterpilz nennt. Hätte Raggio die gerösteten Kalbsstücke von diesen Stöcken gegessen, wäre er noch am selben Abend tot gewesen. Jetzt wurde mir klar, warum sie für ihn die fetten Fleischstücke auf die gelben Stöcke aufgezogen hatte. Sie wollte ihn umbringen. Denn mit der Feuerhitze scheidet das Oleanderholz ein Gift aus, das direkt in das brutzelnde Fleisch schießt und den sofortigen Tod bedeutet.
    Da stieg eine Wut in mir hoch, dass ich diese Hexe auf der Stelle mit dem Kopf zuerst ins Feuer stoßen wollte, so wie es Hexen eben verdienen.
    Damit Raggio nichts vom vergifteten Fleisch essen würde, und überhaupt sollte er nichts von alldem merken, tat ich so, als würde ich mich nun um die Spieße kümmern, und ließ sie alle verbrennen. So konnte ich sie schließlich, unter dem Vorwand, dass sie ja nun dahin seien, zusammen mit den Oleanderstöcken und der Rinde ins Feuer werfen.
    Raggio sagte mir, ich tauge nicht zum Essenmachen, und schnitt sich neue Fleischstücke zurecht. Sie hatte gleich begriffen und tat so, als wäre nichts gewesen, zugleich aber schaute sie mich mit todfinsterem Blick an. Dann sagte sie, noch etwas im Stall besorgen zu müssen, und ging fort.
    So aßen und tranken wir, ohne dass irgendjemand etwas bemerkt hätte, und niemand konnte sich vorstellen, dass noch kurz zuvor der Tod selbst am Feuer gesessen war und Raggio fast schon mit dem vergifteten Fleisch zu sich geholt hatte. Dieser war am Ende ganz glücklich über die mit wahren Freunden gemeinsam verbrachte Zeit, mit denen er endlich mal richtig essen, trinken und sich entspannen konnte.
    Hätte er gewusst, was für eine üble Sorte von Freund ich war, er hätte gewiss nicht so gesprochen.
    Ein wahrer Freund lässt sich nicht mit der Frau seines Freundes ein. Aber sie war wie das Pinienbaumharz, an dem die Ameisen kleben bleiben und schließlich sterben, weil sie sich nicht mehr befreien können. Und ebenso war auch ich am Harz ihres Körpers und am Leuchten ihrer Augen kleben geblieben. Und auch wenn es mir hin und wieder gelang, mich ein wenig von ihr zu lösen, nach kurzer Zeit gab die Hexe wieder neues Harz von sich, und dabei ging eine solche Anziehungskraft von ihr aus, dass ich schlagartig von ihr angezogen wurde, wie der Nagel vom Magneten. Es war längst um mich geschehen, ich kam nicht mehr von ihr los. Doch auch sie schien von mir angezogen, immer häufiger kam sie in die Molkerei. In kurzer Zeit war sie so gut wie wir im Käsemachen und vor allem auch im kraftaufwendigen Herausholen der schweren Käsemasse aus dem Kessel. Und sie hatte wirklich Kraft, nicht gerade wie ein Mann, aber fast. Sie mähte das Gras, schnitt und spaltete das Holz, trug die Heubündel auf dem Rücken, grub Äcker um und hackte Kartoffeln.
    Jedes Jahr stellten ich und Raggio einen Käselaib her, der doppelt so groß wie gewöhnlich war und den wir dann dem Priester als Geschenk zu Weihnachten oder Ostern übergaben, aber wir verschenkten ihn auch zu jeder anderen Zeit, auch wenn kein Feiertag war, nämlich immer dann, wenn die Kühe mehr Milch gaben. Es musste also nicht immer gleich Ostern oder Weihnachten sein.
    Eines Morgens wollte sie einen solch schweren Käselaib mit dem Tuch aus dem Kessel ziehen. Ich sagte ihr, er sei zu schwer, aber sie bestand darauf und zog ihn tatsächlich heraus, und als wäre nichts dabei, stemmte sie die fast zwanzig Kilogramm schwere Käsemasse in die runde Form. Dann knetete sie den Laib händisch in die Form, gab noch Salz dazu und sagte, es sei ja einfacher, als sie dachte, einen solch großen Käselaib zu machen. Sie hatte den Käserberuf so gut gelernt, dass ich und Raggio sie eine Woche lang allein den Käse machen ließen, während wir zu den Weihnachtsfesttagen zum Holzmachen auf die Höhen von Cima Camp gingen, denn im Zemolatal hatte man damit schon seit November aufgehört.
    Wir

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