Im Tal des Vajont
Wahnsinnigen und ihrem ständigen Schweigen.
Da mein Bruder Bastianin nun alles wusste, bat ich ihn an einem Abend, die Tür zu seiner Schmiede für mich offen zu lassen, damit ich mich dort mit ihr treffen könnte, ohne gesehen zu werden, denn an meinem Stall kamen zu viele Leute vorbei, die Blätter zur Einstreu für die Kühe sammelten. Bastianin verstand gleich und riet mir nochmals, ich solle mich vor der in Acht nehmen, denn die würde mich zugrunde richten, gleichzeitig aber ließ er die Tür offen und übergab mir den Schlüssel.
Von nun an trafen wir uns immer in der abgelegenen Schmiede von Bastianin unten am Vajont. Und genau dort in der Schmiede, die voll von Eisengegenständen war, redete sie zum ersten Mal davon, ihren Mann Raggio umbringen zu wollen. Nicht, dass sie es direkt aussprach, aber sie redete deutlich von einem Kreuz mit seinem Namen. Mein Bruder war gerade dabei, ein Eisenkreuz zu schmieden für einen, der sich aufgehängt hatte und Balbi hieß. Er hatte die Teile schon mit einem Nagel verbunden, nur der Name fehlte noch. Als sie das Kreuz sah, deutete sie mit dem Finger darauf und sagte, dass dort Raggios Name geschrieben stehen könnte. Ich antwortete ihr, dass Raggio noch am Leben sei und man daher auch seinen Namen nicht aufs Kreuz schreiben könne, worauf sie erwiderte, er bräuchte ja nur zu sterben, dann könne man auch seinen Namen draufschreiben. Ob sie scherzen wolle oder verrückt sei, fragte ich sie; aber nein, weder wolle sie scherzen, noch sei sie verrückt, sagte sie, aber wenn ich wollte, dass sie weiterhin mit mir zusammenbleibt, dann wäre ihr Mann einfach einer zu viel, wenn er dagegen stürbe, dann gäbe es keinen mehr zu viel, und wir könnten machen, was immer wir wollten. Ich befahl ihr, damit aufzuhören, ich wolle nichts mehr davon hören, gleichzeitig erinnerte ich mich aber daran, wie auch ich schon einmal daran gedacht hatte, Raggio beim Käsemachen im Milchkessel zu ersäufen. Also war ich genauso boshaft wie sie, nicht mehr und nicht weniger.
Ich sagte ihr, dass ich sie nicht mehr so reden hören wollte, dass ich in meinem bisherigen Leben höchstens mal mit meiner Mutter einige Frösche getötet hätte und dann mal eine Gämse, ein Reh oder einen Fasan und auch so manches Kalb, und es vielleicht wirklich besser wäre, wenn wir uns nicht mehr träfen, denn ihr geheimer Plan würde mir schon beim bloßen Hören Angst einjagen. Und was mich anginge, so könne ich Raggio nur eines natürlichen Todes sterben sehen, aus Altersschwäche oder an einer Krankheit. Worauf sie erwiderte, sie hätte schon gewusst, dass ich zu nichts gut wäre, ein Schwächling, und dass sie ihrerseits bereits daran denken würde, mich loszuwerden.
Eines Tages, es war inzwischen Winter, kam Raggio mit verbundener linker Schulter und dem Arm in einer Schlinge in die Molkerei. Auf meine Frage, was denn passiert sei, antwortete er mir, es hätte ihn eine Kuh, die zum Stier wollte, mit den Hörnern gestoßen und ihm ein Loch in die Schulter gerissen. Wenn die Kühe zum Stier wollen, werden sie bösartig, es reicht, dass sie unerwartet einen Schatten sehen, und schon stoßen sie um sich, und die Kuh von Raggio wollte in dieser Zeit nun wirklich einen Stier. Da er mit seiner durchbohrten Schulter vorerst keine Milch mehr im Käsekessel rühren konnte, verrichtete ich für zehn Tage die Arbeit, und Raggio machte, so viel er konnte, mit seinem einen Arm. Dann eines Abends, wieder in der Molkerei, bat mich Raggio, ihm beim Verbinden der Schulter zu helfen, weil die Binde sich gelöst hatte. Er zog sich das Hemd aus und setzte sich nah ans Kesselfeuer, denn es war kalt draußen. Während ich dabei die Binde aufrollte, sah ich mir die Verletzung genauer an. Ich hatte an ein rundes Loch gedacht, wie man es von einem Horn erwartet, das ins Fleisch eindringt, aber das in Raggios Schulter war eine längliche Schnittwunde. Also sagte ich ihm, das ist kein Hörnerstoß, da hätte er mir etwas Falsches erzählt, und er solle mir doch bitte die Wahrheit sagen oder sonst lieber schweigen, mir nur keinen Schmarrn erzählen, denn ich würde mich mit Hörnerstößen auskennen. Da nahm mich Raggio zur Seite, als ob noch jemand in der Molkerei wäre, dabei waren wir ganz allein. Und während er mir in die Augen schaute, sagte er mir, dass sie es gewesen sei, sie hätte ihm beim Abendessen einen Messerstich versetzt. Sie hatten darüber gestritten, warum sie keine Kinder bekommen würden, und da habe er ihr
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