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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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darauf warteten, zu Brettern gesägt zu werden, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Und wenn sich einer über die Verspätung bei einer Arbeitserledigung beklagte, sagte er ihm nur, er solle seine Stämme doch wieder mit heimnehmen und sie selbst händisch sägen oder sie von jemand anderem sägen lassen, denn er saß lieber am Vajont und schaute auf das vorbeifließende Wasser.
    Das Sägewerk von Giovanni Filippin Scàndol war ein wahres Meisterwerk. Sein Großvater hatte es mit der Hilfe eines alten Österreichers aufgebaut, wobei das Sägeblatt das einzige Teil aus Eisen war, alles andere war aus Holz, sogar die Zähne des Räderwerks, die aus Viertelholunderholz gefertigt waren. Als Gioanin mir das erzählte, konnte ich kaum glauben, dass die Zähne des Räderwerks tatsächlich aus Holunderholz waren, aber er erklärte mir, dass der Holunder, zur richtigen Mondphase geschlagen und von seinem Mark befreit, sodann in Viertel gespalten und getrocknet, härter als Stahl wird. Sein Großvater war für zwei Jahre nach Österreich gegangen und hatte sich dort von alten Handwerkern zeigen lassen, wie man ein Sägewerk baut, und die hatten ihn auch in die Kunst eingeweiht, Zähne aus Holunderholz anzufertigen. Dann war er mit einem von ihnen zurückgekehrt, um sich sein eigenes Sägewerk aufzubauen. Ich verstand zwar etwas von Holz, aber dass Holunderholz sich auch für Gegenstände für dauerhaften Einsatz eignet, das erfuhr ich tatsächlich erst durch Gioanin de Scàndol. Und auch das Mühlrad war ganz aus Holz, bis auf seine Achse, beim Mühlrad von Bati waren dagegen die Schaufeln aus Eisen.
    Ich bat Scàndol, mir auch noch die beiden anderen Bretter fertig zu machen, weil ich sie bald brauchen würde, worauf er nur brummelte, er mache es, wenn er es mache. Da sagte ich nichts mehr, und nach ein paar Stunden kehrte ich zur Mühle von Bati zurück, der meine Hirse inzwischen gemahlen hatte. Ich und Raggio luden uns die Mehlsäcke auf die Schulter und schlugen den Kreuzweg zurück zum Dorf ein. Der Weg ist sehr steil, und so setzten wir hin und wieder unsere Last ab, um uns ein wenig auszuruhen. Als wir dann vor der Kirche von Beorchia eine Ruhepause einlegten, schaute mich mein Freund auf einmal ganz ernst an und fragte mich, was das für eine Geschichte sei mit seiner Frau.
    Er würde nämlich einen Verdacht gegen mich hegen, denn die Geschichte mit dem Salz hätte ihn nicht überzeugt, aber andererseits könne er auch nicht mit Sicherheit sagen, dass sie mit mir ging, doch irgendetwas passte dabei nicht, und wenn ich es wüsste, sollte ich ihm jetzt die Wahrheit sagen, und vor allem sollte ich sagen, ob ich wirklich sein Freund sei. Ich stritt natürlich alles ab, sagte ihm, dass die Geschichte mit dem Salz die reine Wahrheit sei, auch wenn sie kaum zu glauben sei, denn manchmal scheinen auch die einfachsten Wahrheiten kaum zu glauben. Damit war es schließlich gut, aber er hatte mich wegen dieser Sache fragen müssen, die ihn im Innern schon seit längerer Zeit wie ein Pfahl im Fleische quälte, und schließlich müsse man ja zwischen Freunden alles klar aussprechen können, auch wenn es um hässliche Dinge ginge. Da begriff ich, dass es so nicht weitergehen konnte, in irgendeiner Weise musste diese Geschichte mit seiner Frau zu Ende gebracht werden, so oder so musste ich einen Ausweg finden.
    Jedenfalls trafen wir uns heimlich auch weiterhin, dabei merkte ich allerdings, dass sie immer ernster wurde, auch bewegte sie sich, wenn wir es machten, nicht mehr wie früher wie eine vom Dämon gerittene Ziege, wie von Blitzen durchzuckt. Nein, jetzt blieb sie jedes Mal wie tot unter mir liegen und ließ mich ruhig machen, bis ich fertig war, dann zog sie sich ihr Kleid zurecht und ging weg. Aber so gefiel mir das überhaupt nicht, und ich fragte sie, was los sei, ob etwas nicht passte, aber sie antwortete nichts darauf.
    Dann kam der September, und eines Tages waren wir oben auf der Mandrizhöhe im Zemolatal. Wir hatten ausgemacht, uns dort zu treffen. Sie, unter dem Vorwand, die Ziegen von den Centenere hinuntertreiben zu müssen, war schon früh auf der Straße nach Costa aufgebrochen. Ich dagegen, um nicht gesehen zu werden, hatte zunächst den Köhlerweg genommen, ging aber dann, noch bevor ich zum Zemolatal einbog, weiter bis Casso, diesmal gerade, damit mich die Cassaner sahen, so konnte ich dann Raggio sagen, dass ich aus Berufsgründen in Casso gewesen sei. Wenn er dann die Leute von Casso fragte, würden sie

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