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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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schon einen fertig hätten. Sie erwiderte, dass es gerade jetzt Milch im Überschuss gebe, und da hätte sie es nur richtig gefunden, dass auch sie einmal einen großen Laib, wie er dem Priester gebühre, anfertigte.
    Es war wirklich ein schöner Käselaib, mit einer Höhe von dreißig und einem Durchmesser von circa fünfzig Zentimetern. Und sie hatte ihn auch schon auf das neue Ablaufbrett gelegt, das mir Gioanin de Scàndol in seiner Sägerei am Vajont angefertigt hatte. Der Laib war noch in der Holzgebse, und ich fragte sie, ob sie schon Salz zugegeben hätte, aber sie antwortete, sie würde damit noch warten, weil sie den Laib erst in den Bottich mit Salzlake legen wolle, wenn er schon fester geworden sei. Sie solle nur machen, wie sie es wolle, sagte ich, sie selbst hätte ja schließlich den Laib gemacht und könne ihn so behandeln, wie sie es am besten fand.
    Mit jedem Monat, der verstrich, nahmen bei Raggio die äußeren Zeichen des Wahnsinns zu. Eines Tages sagte er zu mir, ein König müsse auch seinen Kommandostab, sein Zepter, besitzen, und so schnitzte er sich einen Kornelkirschenast mit einer Länge von anderthalb Metern als Königsstab zurecht. In das obere Ende hatte er eine Krone geschnitzt, darunter dann den Adler, König des Himmels, dann den Gamsbock, König der höchsten Gipfel, dann Blumen, die Wiesenfürsten, und schließlich ganz unten die Viper nebst einer Hand, die ihr den Kopf mit einem Stein zermalmt. Das jedenfalls war seine Erklärung, nachdem ich ihn gefragt hatte, warum er gerade diese Tiere geschnitzt hatte. Dabei hasste er die Vipern geradezu. Da ihm eine unten im Bosconero in den Hals gebissen hatte, konnte er sie nicht mehr sehen, deshalb hatte er sie unten in den Stab geschnitzt, mit einer Hand, die ihr mit einem Stein den Kopf zerquetscht. Er musste oft an diese Geschichte denken, und jede Viper, die in seine Reichweite kam, erschlug er, um sie gleich darauf gebraten zu verspeisen.
    Unter den Knauf seines Kommandostabs schließlich hatte er gut sichtbar seinen Namen geschnitzt: Raggio Martinelli.

Eines Tages geschah dann ein sehr schwerwiegender Vorfall. Raggio saß vor der Osteria von Pilin neben dem Vertragsstein und sah mit seinem Stab in der Hand tatsächlich aus wie ein König auf seinem Thron. Kerzengerade und steif saß er da, mit starrem Blick nach vorn auf jene Dinge gerichtet, die nur er sah und die seine Augen größer werden ließen. Die vorbeigehenden Leute lachten heimlich bei seinem Anblick, vermieden es aber, ihm zu nahe zu kommen, und nahmen, um in die Osteria zu gelangen, lieber die Seitentür zum Kirchturm hin. Nur Gigin de Jan da Tòrnol, ein Bursche von nicht einmal zwanzig Jahren, ging direkt an ihm vorbei, denn er hatte überhaupt vor nichts Angst. Raggio hielt ihn an und fragte ihn, warum er sich vor seinem König nicht verbeugt habe. Gigin antwortete ihm lachend, dass er sich vor keinem König verbeuge und schon gar nicht vor ihm. Da sprang Raggio blitzschnell auf und verpasste ihm mit seinem Stab einen wuchtigen Hieb quer über den Rücken. Darauf knickte der Junge zusammen und sank zu Boden, und wären ihm nicht andere Dabeistehende zu Hilfe gekommen, hätte Raggio ihn totgeprügelt.
    Das war ein sehr ernster und schwerwiegender Vorfall, und nachdem sich Raggio beruhigt hatte, meinte auch jemand, man müsse ihn in die Irrenanstalt nach Pergine in Valsugana oder in die von Feltre bringen. Aber in die Irrenanstalt von Feltre würde er kaum aufgenommen werden, denn sie war ständig überfüllt. Ich sagte auch Nein, Raggio müsse zu Hause bleiben, und ich würde mich fortan um ihn kümmern und Tag und Nacht darauf achten, dass er nicht zu viel Schaden anrichtete.

Eines Morgens begegneten sich Genio Damian Sgùima und Raggio, und Raggio grüßte ihn mit seinem Stab. Genio Damian erwiderte, dass nicht der König, sondern der Diener zuerst grüßen sollte. Und er setzte lachend hinzu, dass ein kommandierender König auch eine Krone tragen müsse, die ihm aber fehle. Bei diesen Worten wurde Raggio ganz ernst und dachte eine lange Weile darüber nach. Am selben Tag noch kam er dann zu mir und bat mich, ihn zu meinem Bruder Bastianin zu begleiten, um ihn zu bitten, ihm eine Krone anzufertigen. Ich sagte ihm, er könne sich doch auch eine aus Holz machen, aber Raggio antwortete, dass die Krone eines Königs aus Gold und Silber und Diamanten und anderen Kostbarkeiten sein müsse, nicht aus Holz. Darauf sagte ich ihm, dass Bastianin zwar Eisen mehr als genug

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