Im Tal des Vajont
erzählte, rannte er zurück ins Haus, nahm den schweren Eisenhammer, lief damit wieder in den Stall und schrie, dass er den Teufel erschlagen müsse. Dann fing er an, mit dem Hammer auf Hörner und Kopf der armen Pastèla einzuschlagen, die ihm als Teufel in Kuhgestalt erschien. Und während er mit all seiner Kraft auf den Kopf des Viehs schlug, brüllte er, dass der Teufel selbst in Kuhgestalt seine Hörner nicht habe verbergen können, aber er habe es gemerkt, und jetzt würde er ihn töten. Ich weiß nicht, wie lang, aber er schlug so arg mit dem Hammer auf die arme Kuh, bis sie schließlich tot zu Boden sank. Merkwürdig dabei ist, dass auch andere Kühe im Stall waren und alle mit Hörnern, aber in ihnen sah er nicht den Teufel. Ich denke, vielleicht, weil sie alt waren.
Seine Frau war zu mir gekommen, erzählte mir alles und bat mich, Leute zu rufen, um der Kuh das Fell abzuziehen und sie zum Verzehr in Stücke zu zerteilen. Ich konnte drei Männer auftreiben, und zusammen machten wir uns dann an dem armen Rind zu schaffen, bis es gevierteilt von der Decke hing. Während wir das Fell abzogen, stand Raggio mit der Mistgabel daneben, um aufzupassen, ob nicht etwa der Teufel unter dem Fell hervorspringen würde. Erst als er sah, dass da kein Teufel war, beruhigte er sich, stellte die Mistgabel in die Ecke, haute sich aufs Ohr und schlief ein.
Ein anderes Mal in der Molkerei öffnete er plötzlich den Ablaufhahn des Käsekessels, voll mit Milch und kurz vor dem Zugeben des Labs, weil auch die Milch ihm wie Blut vorkam und er sie deshalb wegschütten wollte. Nur mit Mühe konnte ich ihn davon abhalten und ihn zwei Männern, die gerade ihre Milch gebracht hatten, mit der Bitte übergeben, ihn heimzubringen. In allem, was flüssig war, aber auch im Schnee, sah Raggio Blut. Aber es blieb nicht beim Blut allein, oft sah er auch Menschen, die ihn töten wollten, ihn verfolgten oder durch die Luft flogen.
Immer waren es schlimme Dinge, nur selten sah er auch mal etwas Friedliches, bei dem er sich wohlfühlte. Nur einmal brachte er mich zum Lachen, als er erzählte, dass er seine schon vor Jahren verstorbene Mama gesehen hätte, wie sie im Gipfel des Apfelbaums selig Polenta mit Käse aß. Wir nutzten seine Wahnvorstellungen, um uns an wechselnden Orten zu treffen, mal im Stall, mal in Bastianins Haus oder auch in meinem Stall, sobald es dunkel wurde und die Leute uns nicht mehr sehen konnten.
Eines Tages hatte, glaube ich, Raggio eine friedliche Vision, denn als ich in die Molkerei kam, fand ich ihn auf der Bank sitzend vor, wie er das Warmwerden der Milch beobachtete und leise, aber dauernd vor sich hin sprach, als säße jemand gegenüber auf der anderen Seite des Käsekessels. Er hatte nicht einmal mein Eintreten bemerkt und redete einfach weiter, ohne sich umzudrehen. Ich erinnere mich noch, dass er sonderbare Wörter aussprach und sagte, dass ihn nicht die geringste Schuld träfe und er sicher sei, dass, wäre er tot, sie ihn dann ins Paradies bringen würde. Darauf faltete er die Hände, so als wolle er ein Dankgebet an diese Sie richten, die er vor dem Kessel sah, weil sie ihm tags zuvor den Rucksack getragen hatte, als er durch den hohen Blutschnee zum Col di Cuore hinaufgestiegen war. Dabei war er in Wahrheit am Vortag nirgends sonst als bei mir in der Molkerei gewesen, doch er bestand darauf, auf dem Col di Cuore oben gewesen zu sein, und dankte nochmals der Frau, die ihm bei dem hohen Blutschnee mit dem Rucksacktragen geholfen hatte.
Ganz vorsichtig fragte ich ihn, wer denn diese Frau sei, die ihm den Rucksack getragen und vor dem Käsekessel zu ihm gesprochen hatte, worauf er, ganz erstaunt, dass ich sie nicht sehen würde, mir antwortete, es sei die Madonna, die immer, wenn er sie brauchte, zu ihm käme. Wann er sie denn bräuchte, fragte ich ihn. Er bräuchte sie immer, gab Raggio darauf zurück, denn ständig verfolge ihn der Teufel. Dann fragte er mich erneut, ob ich sie denn wirklich nicht da vor dem Kessel sehen würde, worauf ich schließlich, um ihn zufriedenzustellen, mit Ja antwortete. Raggio war zwar verrückt, aber ganz blöd auch wieder nicht, und so fragte er mich nach der Farbe ihres Gewandes. Ich musste an die Madonna in der Kirche denken und riskierte es, »blau« zu sagen. Da leuchteten auf einmal Raggios Augen: »Dann siehst du sie ja wirklich, denn sie ist tatsächlich blau.«
Er tat mir unendlich leid, und für den Rest des Tages fühlte ich mich wie im Mist versunken. Ich, ganz
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