Im Tal des Vajont
namens Storna, die zur selben Zeit sechs kleine Welpen geworfen hatte. Aber Felice wollte sie nicht behalten, und so steckte er sie einen Tag nach ihrer Geburt in einen Sack und warf sie von der Brücke Daltin in den Abgrund hinunter.
Aus Verzweiflung über ihre verschwundenen Jungen lief Storna darauf jaulend und heulend im Haus herum, dann hin und her zwischen Haus und Hundehütte, die sich unterhalb der Straße nach San Rocco befand, nah dem Hühnerstall, von dem sie nachts mit ihrem Bellen die Füchse fernhalten sollte.
Eines Morgens gingen die Vermählten Menin in den Stall die Kühe versorgen und ließen Neve allein im Korb neben dem Herd zurück. Als sie zurückkamen, war das Kind nicht mehr da. Da liefen sie schreiend auf die Straße und riefen: Wer hat uns unser Kind gestohlen! Haus für Haus suchten sie nach ihr ab, aber die Kleine tauchte nicht mehr auf. Fast hätten sie schon einer fünfzigjährigen Frau das Geständnis herausgeprügelt, dass sie das Kind versteckt hielt. Da die Frau allein lebte und immer gern die Kinder streichelte, denen sie begegnete, dachte man, sie hätte die Kleine entführt, und sie wäre beinahe schon aus dem Verkehr gezogen worden, denn hierzulande wird nicht lange gefackelt, wenn jemand Kinder angreift. Es war zwei Uhr nachmittags, als sie schließlich entdeckten, dass die gute Frau nichts damit zu tun hatte.
Es war Felice Corona eingefallen, in der Hundehütte von Storna nachschauen zu gehen, denn seit vormittags hatte er die Hündin nicht mehr gesehen. Und tatsächlich, bei eisigster Kälte lag da die Kleine auf ein wenig Stroh gebettet. Storna hatte sich dicht neben sie gelegt und leckte sie unaufhörlich. Nunmehr ohne eigene Jungen, hatte die Hündin sich das Mädchen geholt und es in Hundemanier, als wäre es ihr eigenes Junges, sanft, ohne zuzubeißen, mit den Zähnen fortgetragen und in der Hütte versteckt. So begriff Felice Menin, was es bedeutet, wenn einem die Kinder geraubt werden. Das Schöne daran war, dass die Kleine, selbst nach sieben Stunden, die sie in der Hundehütte zugebracht hatte, weder weinte noch fror noch Zeichen von Erfrieren zeigte. Da hielten es alle für ein Wunder, und Neve sei eine kleine Heilige, eine kleine Madonna, die gekommen war, um Wärme in die Herzen der Menschen und ihr Dorf zu bringen, das dort in eisiger Winterstarre unter Schnee begraben lag.
Felice Corona Menin nahm die Schaufel und hob schon die Arme, um Storna, die ihm seine Tochter geraubt hatte, zu erschlagen, als im selben Augenblick seine Bewegung stockte und er wie zu einer gelenklosen Eisenskulptur erstarrte. Da wusste er, es war ein Zeichen vom Himmel. Er nahm seine Storna mit ins Haus neben den Kamin, und von diesem Tag an tötete er ihre Jungen nicht mehr, denn indem Neve ihm den Arm erstarren ließ, als er Storna erschlagen wollte, hatte sie ihn zu einem guten Menschen werden lassen.
Er erzählte mir, er habe so etwas wie eine plötzliche Kälte gespürt, die ihn schlagartig von Kopf bis Fuß steif werden ließ, sodass er nicht mehr in der Lage war, die Arme zu bewegen und zum Schlag auszuholen.
Das erzählte er nicht nur mir, das ganze Dorf erfuhr davon, und so suchten immer mehr Leute das kleine Heiligenmädchen auf und zündeten ihr Kerzen draußen vor der Haustür an und brachten Ziegenmilch und allerlei Esszeug für die Vermählten Felice und Maria Corona Menin als Dank dafür, dieses von Gott geschickte Wesen auf die Welt gebracht zu haben.
Doch nicht alle glaubten, dass dieses kleine Kind Dinge tun könne, die nur in der Macht des Herrn standen. Da ich glaube, dass Gott sie gesandt hatte, glaube ich auch, dass sie ebenfalls dazu in der Lage war. Ein anderer wiederum sagte, er würde es nur dann glauben, wenn er das Mädchen, das viele für die Madonna selbst hielten, mit seinen eigenen Augen ein Wunder vollbringen sähe.
Nicht einmal nach dem, was einen Monat später geschah, wollten diese Leute ohne Glauben und Gottesfurcht ihre Meinung ändern. Matteo, der elfjährige Sohn von Marianna Corona, wegen seiner Schläue auch La Bolp , der Fuchs, genannt, war auf seinem Rückweg von Marzàna, der ihn nahe der Pila dei Gavoi auch über den gefrorenen Vajont führte, auf dem Eis ausgerutscht und an der einzigen offenen Stelle ins glaskalte Wasser gefallen. Er zog sich sofort wieder heraus, aber durchnässt, wie er war, erstarrte er vor Kälte und war wie gelähmt. Unter äußerster Anstrengung schleppte er sich noch bis zur Sägerei von Scàndol, dann brach er
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