Im Tal des Vajont
müsste. Mir stand wirklich nicht der Sinn danach, das alles auszunutzen.
Aber sie beharrte weiter darauf und versuchte mir klarzumachen, dass es an diesem Punkt ja wohl gleich sei, ob ich sein Bett benutzte oder nicht, wo ich doch eh schon seine Frau benutzte; ich aber sagte Nein, die Frau sei die Frau, doch das Bett sei eben das Bett, und ich wollte mich nicht dort hinlegen, wo er sonst schlief. Schließlich gab sie auf, und wir liebten uns weiter jede Nacht im Stall, bis ihr Mann mit den zwei neuen Kühen aus Tarvisio zurückkehrte.
Es waren wirklich unglaubliche Tiere, und wenn man sie molk, konnte man gar nicht genug Milch aus diesen Zitzen ziehen. Sie gaben so viel Milch, dass der Padrone schließlich eine gewisse Menge davon zur Käserei im Dorf brachte, weil es viel mehr war, als sie selbst brauchten.
Nach einigen Tagen allerdings beklagten sich die Leute der Käserei bei ihm darüber, dass der Käse schlecht werden würde, übel rieche und fast so grün wie frisches Gras sei. Und sie dachten, der Grund dafür wäre wohl die Milch von seinen neuen österreichischen Kühen. Sie waren überzeugt, dass die Kühe krank waren, und wollten keine weitere Milch mehr von ihm haben. Er brachte ihnen dann auch keine mehr, aber nach kurzer Zeit berichteten ihm dieselben Käser, der Käse würde immer noch schlecht werden und grün und übel riechen, und baten ihn um Entschuldigung. Darauf rief er mich zu sich und erläuterte mir die ganze Angelegenheit. Ich sagte ihm, der einzige Grund für den schlechten Käse sei sicher, dass jemand mit Wasser verdünnte Milch abliefere. Man müsse nur herausfinden, wer es ist, und alles würde wieder in Ordnung gehen. Auf seine Frage dann, wie man den Schurken wohl ausfindig machen könne, antwortete ich, er solle mich am nächsten Morgen in die Käserei begleiten, wenn die Leute mit ihren vollen Milcheimern kämen.
Tags darauf führte er mich in die Käserei, wo ich mir von jedem, der hereinkam, jeweils eine Schüssel geben ließ, die ich dann in einem kleinen Topf abkochte. Sobald sie kochte, nahm ich sie vom Feuer und schüttete sie in den Käsekessel. Nach circa fünfzehn Proben kamen schließlich zwei kleine, dicke Gestalten mit jeweils einem Eimer herein, beide so um die fünfzig Jahre alt und Brüder, wie ich erfuhr. Ich versuchte, ihre mitgebrachte Milch zu kochen, aber sie kochte einfach nicht und lief auch nicht über, wie es sonst bei kochender Milch passiert.
Die beiden waren also der Grund für den verdorbenen Käse. Sie entrahmten die Milch und streckten sie mit Wasser, um so die Milchmenge zu erhöhen. Sie versuchten sich noch zu verteidigen und Ausreden zu erfinden, wurden aber schließlich unter üblen Beschimpfungen fortgeschickt. Im Fortgehen schaute mich noch einer der beiden böse an und brummte, dass er mir das noch heimzahlen werde. Aber der Padrone beruhigte mich, ich solle mir keine Sorgen machen, er würde sie schon zurechtweisen, falls sie etwas gegen mich unternähmen.
Nach der Milchgeschichte brachten mir der Padrone und die Käser neue Achtung entgegen, weil ich mich gut auf das Käsemachen verstand, und schlugen mir vor, ich könne gleich anfangen, in ihrer Käserei zu arbeiten, wenn ich wolle. Aber ich sagte Nein. Allein beim Wort »Käserei« bekam ich schon Kälteschauer, weil mich das an die Käserei von Erto erinnerte, wo ich mit Raggio gearbeitet hatte, und mit ihr, die mein Kind im Käselaib eingedickt hatte. Nein, ich wollte nichts mehr von Käsereien wissen. Wenn es darum ging, jemandem ab und zu aus Dankbarkeit zu helfen, dann tat ich das gern, aber keine Käsereien mehr in meinem Leben, von Milch, Käsereien und Käse hatte ich schon genug gehabt.
Inzwischen waren mehr als drei Monate vergangen, dass ich in diesem Haus lebte. Die Frau und ich vertrugen uns gut, aber ich konnte den Frieden nicht wirklich genießen, denn im Innern trug ich dieses Geheimnis, das an mir fraß, wie der Hund den Knochen frißt. Nie mehr würde ich in meinem Leben Ruhe und Zufriedenheit finden.
Und so kam mir der Gedanke, endgültig fortzugehen mit meinem Karren, beladen mit Holzsachen, und meinem Kopf so voller Qualen wie der Karren voller Holz. Aber das waren keine leichten Qualen, wie die Hölzer von Damian Sgùima, meine wogen schwer wie Blei.
Ich dachte mir, bis nach Triest zu gehen und dort vielleicht zu bleiben, oder besser noch, ein Schiff zu besteigen und für immer vom Festland zu verschwinden. Vielleicht konnte ich so, weiter und immer weiter fort
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