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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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auf dem Wasser, um ein wenig den Hund vergessen, der mich an Land verfolgte und mir unentwegt, Tag und Nacht, mein Leben auffraß.
    So entschied ich also plötzlich, diese Familie zu verlassen, die mir Brot und Bett gegeben hatte, mehr noch, wo ich eine Frau gefunden hatte, bei der ich mich wohlfühlte, bis auf den Umstand, dass ihr Leben schon an einen anderen gebunden war, und mir kein Leben in Frieden mehr vergönnt war. Denn auch ich war gebunden, aber nicht an die Güte einer Frau, sondern an den Strick der Verzweiflung, der Reue und der Angst, und von diesem Strick gab es keine Befreiung mehr, bis zu meinem Tod.
    Ohne mich bemerkbar zu machen, fing ich an, meine Sachen zusammenzupacken, die wenigen Kleider, die ich hatte, die Strümpfe, die sie mir immer wusch, zwei, drei Hemden, die Decken und das Zelttuch zum Schutz, wenn ich im Karren schlief.
    Während ich noch nachdachte, ob ich nachts oder am Tag aufbrechen sollte, mich verabschieden oder besser nicht, kam sie in den Stall herein, küsste mich und fragte mich mit so leiser Stimme wie meine Mama, wenn sie betete, was ich denn vorhätte, weil meine Sachen nicht mehr auf der Leine im Hof hingen. Ich antwortete ihr, dass ich eine längere Tour machen wolle, vielleicht bis nach Triest, und bei der Hitze Kleider zum Wechseln mitnähme. Aber sie glaubte mir nicht und fragte von Neuem, was für Absichten ich hätte. Überhaupt keine, erwiderte ich, denn ich würde von Augenblick zu Augenblick entscheiden, was ich zu tun und lassen hätte, und sie solle bitte nicht mehr fragen, denn ich würde machen, was mir richtig schien.
    Ich war absichtlich so barsch, aber sie ließ sich nicht davon entmutigen und erwiderte, sie hätte mir etwas sehr Wichtiges zu sagen, womit sie aber bis zur Nacht warten wollte, weil ihr Mann dann inzwischen zu seiner Mutter nach Latisana aufgebrochen wäre. Die Aussicht, noch einige Stunden mit ihr zu verbringen, ließ mich die Abfahrt verzögern, und ich beschloss, zunächst noch im Stall zu bleiben, aber mit abfahrtsbereitem Karren, die Zugstangen nach vorn.
    In diesem Moment wusste ich noch nicht, ahnte nicht einmal, dass ich nach dieser Nacht, und nach dem, was sie mir dann sagte, nicht mehr fortgehen würde. Denn mit dem, was sie mir sagte, nagelte sie mich wie Christus ans Kreuz, sodass ich nicht mehr fort konnte, Arme und Beine wie festgenagelt.
    Bevor der Padrone dann am Abend nach Latisana aufbrach, fragte er mich noch, wie schon, als er nach Tarvisio die Kühe holen fuhr, ob ich mit ihm fahren wolle, er würde mich gern seiner Mutter vorstellen. Ich antwortete Nein, dieses Mal nicht, aber das nächste Mal ganz sicher, denn es würde mir am Herzen liegen, seine Mutter kennenzulernen.

Es war Anfang Juli, als sie in dieser Nacht mit der Neuigkeit in den Stall kam. Draußen auf dem Dach rief die Eule. Die Eule bringt Unglück. In meinem Dorf sagt man, dass der Ruf der Eule den Tod ankündigt, aber in dieser Nacht verhieß die Eule von San Michele das Leben.
    Sie kam gegen zwei, leise und leichtfüßig, wie der Lufthauch, der im Hof umging.
    Sie setzte sich nah zu mir auf das Stroh, und nie hätte ich gedacht, dass sie mir sagen würde, was sie mir dann sagte. Sie streichelte mein Gesicht, beugte sich an mein Ohr und flüsterte, sie sei schwanger. Ich ging hoch wie die Milch auf dem Feuer. Und sie sei von mir schwanger, da sei sie ganz sicher, sagte sie, aber ich sollte keine Angst haben, es gebe nichts, wovor ich Angst haben müsse, denn keiner würde das Geheimnis erfahren, und alle würden denken, dass das Kind von ihrem Mann sei. Wie oft passierte es, fuhr sie fort, dass eine Frau auch Jahre nach dem ersten oder zweiten noch ein weiteres Kind gebäre? Viele Male, antwortete sie selbst, und das jetzt sei weder das erste noch das letzte Mal gewesen. Da kam mir Raggio in den Sinn, der auf die Welt kam, als seine Eltern schon zehn Jahre lang verheiratet waren und es miteinander machten. Dann dachte ich wieder an ihre Worte. Der Gedanke, dass ich endlich ein eigenes Kind haben könnte, nachdem mir schon zwei von ihren Müttern getötet worden waren, machte mich stark wie ein Berg und im selben Augenblick schwach wie ein frisch geborenes Kälbchen, und ich musste weinen, mit dem Kopf zwischen den Knien. Sie rückte noch näher und streichelte mir den Kopf, während ich weinte. Ich sagte ihr, dass ich mich sehr über diese Nachricht freue, und wenn sie etwas brauche, so sei ich immer da, um ihr zu helfen, wo ich könne. Sie antwortete,

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