Im Tal des Vajont
gegenüber könnte ich es nicht für mich behalten. Doch das hätte alles nur noch schlimmer gemacht, denn dann hätte er doppelt für mich mitgelitten. Also beschloss ich, nicht zu ihm zu gehen.
Ich war schon vor den Toren von Udine, als ich meinen Wagen herumriss und mich wieder auf den Weg zurück zu meinen Bauernfreunden machte. Durch den Verkauf von drei Madonnen von Genio Sgùima und einiger Nudelhölzer hatte ich etwas Geld verdient, und so ging ich abends immer in irgendeine Osteria, um mich zu betrinken. Wenn ich dann besoffen war, bot mir so mancher Wirt auch einen Schlafplatz an, andere hingegen warfen mich vor die Tür, dann schlief ich auf meinem Karren, der lang genug war, dass ich mich darin ausstrecken konnte. Bei Regen stellte ich ihn unter ein Vordach, und zum Schutz vor Kälte und Regen hatte ich Decken und ein Zelttuch.
Schließlich kehrte ich nach San Michele in das große Haus zurück, wo mir alle wohlgesinnt waren.
Abends aß ich einen Happen und zog mich in den Stall zurück.
Als es Nacht wurde, kam sie dann, die Frau des Padrone, aber statt des Weins trug sie einen Becher Kaffee in der Hand. Sie brächte mir keinen Wein mehr, sagte sie, und ich würde auch zu viel davon trinken, das schade mir nur. Ich gab ihr zur Antwort, Kaffee tränke ich nur am Morgen und fertig, und was den Schaden anginge, so wäre es sehr wenig, was ich mir da zufügte. Sie fragte, warum, und ich erwiderte, ich wüsste schon, warum, aber mehr wollte ich dazu nicht sagen.
Sie setzte sich nah neben mich auf das Stroh, zu nah, wie mir schien. Dann sagte sie, sie habe mit ihrem Mann und den anderen Familienmitgliedern gesprochen, und alle kamen darin überein, dass ich, wenn ich wollte, bei ihnen bleiben und arbeiten könne, Arbeit gab es genug, und alle hatten gemerkt, wie gut ich mich mit Tieren und Käse auskannte. Und auch mit Bäumen und Holz würde ich mich auskennen. Dabei rückte sie ganz nah an mich heran, streichelte mein Gesicht und fragte: »Warum bleibst du nicht hier bei mir?« Ich war wie versteinert, reglos vor Staunen, denn so etwas hatte ich nicht erwartet, auch wenn mir schon aufgefallen war, dass sie mich beim Essen anschaute, aber nie hätte ich gedacht, dass sie mich so direkt angehen würde. Da begriff ich, warum sie mir jeden Abend eine Karaffe Wein brachte und immer noch blieb, um ein wenig mit mir zu reden.
Ich sagte ihr, es wäre besser, wenn sie jetzt ginge, bevor ihr Mann noch käme, worauf sie erwiderte, dass ihr Mann außer Haus sei und diese Nacht in Latisana bei seiner Mutter schlafen würde. Dabei fing sie an, mich überall zu streicheln, nicht nur im Gesicht.
Ich hatte es schon Monate nicht mehr getan, aber jetzt überkam mich das Verlangen. Am Anfang wollte ich nichts davon wissen, weil ich immer wieder an Raggio denken musste, wie ich ihn mit seiner Frau betrogen hatte, und was ich ihm wegen ihr angetan hatte. Und jetzt war ich dabei, auch den Padrone zu betrügen, der mir wohlgesinnt war und mir sein Haus und seine Freundschaft gab.
Geh weg, sagte ich, ich will dich nicht anfassen, aber da war sie schon über mir, und es ist nicht einfach, dann aufzuhören, wenn eine so auf dir liegt und du es schon sehr lange nicht mehr gemacht hast. Und außerdem gefiel mir diese Frau, und mehr als das, denn im Unterschied zu den anderen, die ich bisher gehabt hatte, spürte ich, dass mit ihr zugleich auch etwas wie Frieden in mich einzog, ein Gefühl, wie wenn ich sie wirklich mochte.
Und so endete es damit, dass wir es die ganze Nacht lang miteinander machten. Erst kurz vor Morgengrauen ging sie wieder und sagte mir noch, ich solle doch bleiben, es gebe genug Arbeit, und sie würde zu mir kommen, wann immer sie könne.
Ich spürte nur Reue, Verwirrung und Wut auf mich selbst. Im ersten Augenblick wollte ich sofort ganz das Haus verlassen, denn ich ahnte, dass es wieder die gleiche Geschichte werden würde, genau wie schon in Erto. Innerlich wollte ich keine Intrigen und Betrügereien mehr, besonders nicht gegen Menschen, die mir wohlgesinnt waren, wie der Padrone und seine Familie. Aber sie, mit ihrer Güte und ihrer Schönheit und dem Frieden, den sie mir gab, wenn sie nah bei mir war, hielt mich fest, wo ich war, wie die Wurzeln den Baum festhalten, auch wenn der Wind an seiner Krone rüttelt. Nie hatte ich eine Frau gesehen, die mir so guttat, und nie hätte ich geglaubt, dass es solch eine Frau überhaupt geben konnte und ich für immer bei ihr sein wollte.
Nach dieser Nacht nahm ich
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