Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
Hätte ihn eine Kugel aus einer Muskete getroffen, hätte sie ihm aus dieser Nähe wohl den Knochen zerschmettert.
    Noch immer konnte er sich über seine eigene Dummheit die Haare raufen. Nur ein Gutes hatte dieser leidige Unfall gehabt: Die Eora hatten an diesem Tag keine Siedler überfallen. Stattdessen hatte Ningalis Großmutter, die Schamanin der Eora, ihn in diese einfache Laubhütte bringen lassen, die Wunde mit einer Auflage aus Kräutern und Asche bedeckt und ihn unter allerhand rituellen Handlungen besungen.
    Tatsächlich hatte sich die kleine Eintrittsöffnung schnell geschlossen, und anfangs hatte es so ausgesehen, als würde die Heilung rasch voranschreiten und er in kurzer Zeit wieder wohlauf sein. Auch die Schmerzen waren erträglich gewesen.
    Seit heute allerdings hatte der Schmerz eine andere Qualität bekommen, war dumpfer, bohrender geworden. Erst vor wenigen Stunden hatte die Schamanin die Wunde mit einem neuen Kräuterverband versehen, aber Duncan hatte nicht den Eindruck, als würde es besser werden. Im Gegenteil. Unter dem Verband klopfte und pochte es, als verlange ein kleiner Dämon nach Freiheit.
    Die Wunde musste geöffnet werden, damit gestocktes Blut und Eiter abfließen konnten, so viel wusste Duncan von seiner Zeit bei Dr. McIntyre. Aber als er versucht hatte, das der alten Frau klarzumachen, hatte diese nichts davon hören wollen. Und Ningali, die ihm vielleicht hätte helfen können, befand sich offensichtlich in der letzten, der wichtigsten Phase ihrer Initiation und war für niemanden zu sprechen.
    Der Windschirm aus Blättern und Zweigen, mit dem der Eingang der Hütte verstellt war, wurde zur Seite gerückt. Für einen Augenblick keimte neue Hoffnung in ihm auf. Aber es war nicht Ningali, es war Yani. Die junge Eora -Frau – dieselbe, die ihn schon mehrmals angelächelt hatte – war zu seiner persönlichen Krankenschwester abbestellt worden. Sie hatte sich zwei rötliche Federn in ihre schwarzen Haare gesteckt, ihre nackte, dunkle Haut glänzte. In der Hand hielt sie ein längliches Behältnis aus Rinde, dessen Enden wie bei einer Schüssel hochgebogen waren.
    Ihr hübsches Gesicht verzog sich zu einem scheuen Lächeln, als sie neben ihm in die Hocke ging und ihm die Rindenschüssel hinstreckte. Darin wanden sich mehrere dicke, weiße Maden, die Yani offenbar gerade für ihn gesammelt hatte.
    Duncan schüttelte den Kopf und versuchte, ihr freundlich zu verstehen zu geben, dass er keinen Appetit auf derartige Leckerbissen verspürte. Doch so einfach ließ sich die junge Eora nicht abweisen. Immer wieder tippte sie ihn an, redete auf ihn ein, drängte ihn mit sanfter Gewalt.
    Vielleicht hatte sie ja recht. Er musste dringend wieder zu Kräften kommen. Umso schneller konnte er zurück, zu Moira und dem Kleinen.
    Er schob die Decke zurück und richtete sich so vorsichtig wie möglich in eine sitzende Position auf. Dennoch sandte die Bewegung eine Welle von Schmerzen durch sein Bein.
    Erneut streckte Yani ihm die Rindenschüssel hin. Duncan nahm widerwillig eine der fetten Maden zwischen Daumen und Zeigefinger und bemühte sich, seinen Ekel zu unterdrücken. Dann schloss er die Augen und steckte sie sich in den Mund. Das Tier war zu groß, um es ganz zu schluck en, und so zwang er sich zu ein paar Kaubewegungen. Es fühlte sich an, als beiße er auf einer weichen Frucht mit einer dicken, zähen Haut herum – mit dem Unterschied, dass es sich dabei um ein lebendes Tier handelte, das sich zwischen seinen Zähnen bewegte. Er musste an sich halten, um es nicht sofort wieder auszuspucken. Vage nahm er einen Geschmack wahr; leicht süßlich und nach Nüssen.
    Er hatte die Made kaum unter Aufbietung aller Willenskraft hinuntergeschluckt, als sie ihm auch schon wieder hochkommen wollte. Er zwang sie hinab, presste den Han drücken auf seine geschlossenen Lippen, bis er sicher war, dass sie in seinem Magen bleiben würde.
    Strahlend streckte ihm Yani erneut den Rindenteller hin, aber diesmal weigerte Duncan sich. Noch eine Made würde er in zwanzig Jahren nicht hinunterbekommen. Und sein Bein pochte immer stärker.
    Â»Bun-Boe«, sagte er. »Hörst du, Yani? Hol Bun-Boe.«
    Auch wenn er wenig Lust verspürte, seinen Vater zu sehen – Joseph O’Sullivan war der Einzige, der ihm jetzt helfen konnte.
    Sie sah ihn an, dann nickte sie.

Weitere Kostenlose Bücher