Im Tal des wilden Eukalyptus
»Bun-Boe.« Fürsorglich lieà sie den Madenteller dicht neben ihm stehen und ging hinaus.
Duncan sah ihr nach. Er fühlte sich schwach, krank. In seinen Adern spürte er das Nahen des Fiebers. Am liebsten hätte er sich wieder hingelegt, aber er wollte Joseph wenigstens halbwegs aufrecht begegnen.
»Ich brauche deine Hilfe«, fing er an, kaum dass sein Vater bei ihm erschienen war. »Ich möchte, dass du zwei Sachen für mich erledigst.«
Joseph OâSullivan nickte. »Sicher. Alles, was du willst.« So zerknirscht und reumütig wie in den vergangenen Tagen hatte Duncan seinen Vater noch nie erlebt. Immer wieder hatte er beteuert, wie leid es ihm tue und wie sehr er das Missgeschick bedaure, das seinen Sohn ans Krankenlager fesselte. »Ich ⦠ich bin froh, dass du wieder mit mir redest.«
Duncan ging nicht darauf ein.
»Zum einen«, sagte er, »möchte ich, dass du zu Moira gehst und ihr sagst, wo ich bin und was mit mir los ist.«
Er hatte lange mit sich gehadert, ob er riskieren konnte, Joseph zu ihr zu schicken, schlieÃlich wurde sein Vater gesucht, und auf Pemulwuy war ein Kopfgeld ausgesetzt. Aber Joseph hatte schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er nahezu unsichtbar sein konnte. Und Moira musste dringend Bescheid wissen.
Sein Vater zögerte. Sicher malte er sich gerade die geharnischten Vorwürfe aus, die er von Moira zu hören bekommen würde. Aber dann nickte er.
»Natürlich. Morgen früh breche ich auf, wenn du das möchtest. Aber in ein paar Tagen bist du wieder gesund, dann wirst du ihr alles selbst erzählen können.«
Duncan verzog das Gesicht. »Ich fürchte, das bin ich nicht. Was mich zum zweiten Punkt bringt.« Sein Blick richtete sich auf das Messer an Josephs Gürtel. Die Vorstel lung, gleich den Stahl in seinem Fleisch zu spüren, lieà einen harten Knoten in seinem Magen entstehen. Aber es half ja nichts. »Du musst die Wunde aufschneiden.«
8.
Alistair fasste in seine Westentasche und zog seine Taschenuhr heraus. Schon nach sieben. Captain Penrith würde heute wohl nicht mehr kommen. Er steckte die Uhr wieder ein und trat in die Küche.
Noch immer roch es dort nach Grünkohl und Braten vom Mittagessen, nach Plumpudding und frischem Gebäck â nicht gerade ein passendes Mahl für die heiÃeste Zeit des Jahres, aber Alistair wollte die Bräuche der Heimat auch in der Fremde beibehalten, schlieÃlich feierte man die Geburt des Herrn. Noch ein weiterer, ganz neuer Geruch mischte sich in die Essensdüfte: der Geruch eines Säuglings.
Die Wiege stand in einer geschützten Ecke, in der Nähe der Tür, die in Anns Kammer führte. Alistair hatte erst überlegt, sein Studierzimmer für das Kind frei zu räumen, denn momentan widmete er sich ohnehin nur noch selten seinen Forschungen. Aber in der Küche war der Kleine zurzeit besser aufgehoben. So konnte Ann nachts nach ihm sehen, und Mrs Harris, die bald zu ihrem abendlichen Besuch vorbeikommen würde, blieb auch ungestört.
Langsam trat Alistair an die Wiege und warf einen Blick hinein.
Der Junge schlief friedlich. Nur sein Kopf schaute heraus, der Rest des winzigen Körpers war eingewickelt und mit Bändern verschnürt, so dass er aussah wie ein kleiner weiÃer Engerling. Manche Experten lehnten diese seit Jahrhunderten bewährte Praxis der Säuglingspflege ab, aber Alistair hielt nichts von diesen neumodischen Ãberlegungen. Mrs Harris musste bloà darauf achten, den Kleinen nicht zu fest einzuwickeln. Bei dieser hochsommerlichen Hitze konnte sich sonst leicht ein Wärmestau entwickeln.
Mrs Harris, die Amme, kam ursprünglich aus York im Norden Englands. Vor vier Jahren war sie ihrem Mann, einem verurteilten Sträfling, nach Neusüdwales gefolgt. Alistair kannte ihren Mann, der für einen Kollegen von ihm gearbeitet und manchmal kleinere Fahrten übernommen hatte. Vor wenigen Monaten war er dabei von einem fallenden Baum erschlagen worden. Plötzlich verwitwet und alleine mit zwei kleinen Kindern, von denen das eine noch ein Säugling war, war Mrs Harris dankbar für Alistairs Angebot gewesen, seinem Sohn als Amme zu dienen. Wenn sie sich weiterhin als zuverlässig erwies, würde er sie vielleicht als Kinderfrau behalten, um Ann zu entlasten. Ann war noch befangen in ihrer neuen Rolle als Mutter, war linkisch im Umgang mit dem Jungen und vermied es,
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