Im Tal des wilden Eukalyptus
Ungeduld. Wo blieb denn der Arzt?
Sie musste schlieÃlich doch für ein paar Minuten einge nickt sein, denn sie fuhr auf, als sie Räderknirschen und Pfe rdeschnauben hörte. Dr. Emmerson war endlich eingetroffen. Im schwachen Mondlicht konnte sie einen hageren Mann mit weiÃem Haarkranz erkennen, der aus einer offenen Kutsche stieg und dabei leise vor sich hin schimpfte. Er verstummte erst, als er Moira erblickte. Seiner gemurmelten Tirade hatte sie entnehmen können, wie ungehalten er über diesen nächtlichen Einsatz war. Er würdigte sie keines weiteren Blickes und verschwand im Lazarett.
Wieder hieà es warten, diesmal zusammen mit Joseph und Ningali, die ebenfalls auf die Veranda gekommen waren. Moira bemühte sich um Ruhe, auch wenn ihr ganzer Körper vor Anspannung bebte . Der Arzt würde sich um alles kümmern. Er würde die Kugel aus Duncans Bein holen, die Wunde säubern und neu verbinden. Nur ein paar Minuten Schmerzen, dann hätte Duncan es überstanden. Wahrscheinlich musste er noch einige Tage im Lazarett bleiben, aber â¦
Sie blickte auf, als sich die Tür öffnete und sie die Umrisse von Dr. Emmerson erkannte, der auf die Veranda trat.
»Das war ja schneller vorüber, als ich gedacht hatte.« Erleichtert ging sie auf ihn zu. »Wie geht es ihm? Konntet Ihr die Kugel problemlos entfernen?«
Der Arzt räusperte sich, als fühle er sich unwohl. »Ich fürchte, Madam, dafür ist es zu spät.«
»Zu spät?« Was um alles in der Welt sagte er da? Eine eisige Hand strich ihren Nacken entlang. Er musste sich irren. Ganz ohne Zweifel.
»Der Wundbrand hat bereits eingesetzt. Es tut mir leid, aber das Bein ist nicht mehr zu retten.«
Moira wurde schwindelig, plötzlich schien sich alles um sie zu drehen. Sie musste sich am Geländer festhalten, um nicht zu fallen. Ein fester Ring schien sich um ihren Brustkorb zu legen und lieà sie kaum atmen.
»Nicht mehr zu retten?« Nur Joseph hatte es noch nicht verstanden. »Was soll das heiÃen, Doktor?«
Moiras Gedanken schienen sich zu verknoten, langsamer zu laufen, wie in einem schlechten Traum. Heià und kalt fuhr es ihr Rückgrat entlang. Er durfte es nicht sagen, er würde es nicht sagen, wenn er es nicht aussprach, würde es nicht wahr sein â¦
Aber alles Wünschen und Beten half nicht. Wie ein Paukenschlag fielen Dr. Emmersons Worte in die angstvolle Stille. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. In ein paar Stunden geht die Sonne auf. Dann werde ich amputieren.«
*
Moiras Hände bebten, als sie Artemis losband. Das Pferd schnappte nach dem Zügel, als spürte es ihre Anspannung.
»Bleib stehen!«, fuhr Moira die Stute an, als das Tier vor ihr zurückwich.
»Ganz ruhig, Moira.« Josephs Stimme klang trotz seiner Worte aufgewühlt. »Soll ich nicht doch an deiner Stelle gehen?«
»Nein!«, fauchte sie. »Du bleibst bei ihm.«
Als das Pferd erneut zurücktänzelte, war sie kurz davor, vor Wut und Verzweiflung loszuschreien. Nur mit Mühe konnte sie sich zurückhalten, Artemis den Zügel über die Nüstern zu schlagen. Aber das hätte alles nur noch schlim mer gemacht. Es kam auf jede Minute an, und sie vertat hie r ihre Zeit mit dem nervösen Pferd. Da spürte sie eine Hand auf ihrem Arm. Ningali war neben sie getreten. Sie tat nich ts weiter, als ihre Handfläche auf Moiras Unterarm zu legen, aber fast augenblicklich lieà die Anspannung in ihr nach , fand sie Trost in dieser Berührung. Und endlich wurde auch die Stute ruhiger, so dass Moira aufsteigen konnte.
Nachts war sie hier noch nie geritten. Wie spät es wohl war? Hoch am Himmel stand eine schmale Mondsichel, am Firmament blinkten Tausende von Sternen, aber sie hatte nicht mehr als einen kurzen Blick dafür. Sie zwang sich, das Pferd nicht zu sehr anzutreiben. Wenn sie jetzt stürzten, wenn Artemis sich ein Bein brach, wäre alles verloren.
Wenn es das nicht ohnehin schon war.
Sie ahnte die StraÃe mehr, als dass sie sie sah, ein heller, breiter Streifen, der sich von den dunkleren Büschen rechts und links des Weges abhob und in nordwestliche Richtung führte. Nach Toongabbie.
Sie wolle die Meinung eines weiteren Arztes hören, hatte Moira nach den ersten fassungslosen Minuten gestammelt.
»Das könnt Ihr gerne tun«, hatte Dr. Emmerson geantwortet. »Ich bezweifle allerdings, dass Ihr bei
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