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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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den wenigen Ärzten in dieser Kolonie auf die Schnelle eine kompetente Person finden werdet.«
    Der Weg nach Toongabbie war ihr selten so lang erschienen. Nur das dumpfe, rhythmische Geräusch der Hufe auf der staubigen Straße war zu hören. Die Hitze des Tages hatte nur wenig nachgelassen, noch immer war es sehr warm. Aus dem Gebüsch, das die Straße säumte, drangen unheimliche Laute; leises Schreien, Quieken, Rascheln. Der Ruf eines Nachtvogels.
    Da, endlich! Aus der Dunkelheit schälten sich die Umrisse einiger Häuser, die weiß gekalkten Fassaden schienen schwach zu leuchten. Sie zügelte die Stute, sah sich um. Der Ort wirkte bei Nacht völlig verändert, fremd und unbekannt. Alle Häuser sahen sich so ähnlich. Dann erkannte sie eine Kreuzung. Und war der breite Schemen dort hinten nicht das Kutschenhaus?
    Jetzt war sie schon fast an McIntyres Haus. Rasch sprang sie vom Pferd und band es an der Veranda an. Für einen Augenblick blieb sie neben Artemis stehen, versuchte sich zu sammeln.
    Duncan hatte hohes Fieber; sie wusste nicht, ob er die schreckliche Diagnose wirklich begriffen hatte. Dennoch hatte sie ihm etwas versprochen, bevor sie aufgebrochen war: Sie würde nicht zulassen, dass man ihm das Bein abschnitt. Und sosehr sie ihren Ehemann auch verabscheuen mochte – er war einer der besten Ärzte, von denen sie je gehört hatte. Wenn jemand das Unheil noch abwenden konnte, dann er.
    Niemand öffnete auf ihr verzweifeltes Klopfen. Aber so leicht würde sie nicht aufgeben. Wieder und wieder pochte sie an die Eingangstür, rief. War da nicht jemand an der Gardine? Sie eilte ans Fenster, versuchte, durch die Scheiben etwas zu erkennen.
    Jetzt sah sie ganz deutlich, dass die Gardine sich bewegte.
    Â»McIntyre! Alistair, bitte, macht auf! Es geht um einen Notfall!«
    Ein schwaches Licht flackerte hinter dem Fenster in der Stube auf. Moira konnte Ann erkennen, die eine brennende Kerze in der Hand hielt. Die junge Frau schüttelte den Kopf und bedeutete ihr mit Gesten, wieder zu verschwinden.
    Â»Ann, lass mich ein! Ich muss mit dem Doktor reden!«
    Sie lief zurück zum Eingang und hämmerte an die Tür. Von diesem Lärm musste doch auch McIntyre aufwachen! Wieso kam er nicht?
    Â»Es ist mitten in der Nacht«, erklang es schließlich gedämpft. »Ich darf nicht aufmachen. Bitte, Mrs McIntyre, geht nach Hause.« Ihre Schritte schienen sich zu entfernen.
    Â»Nein!«, fuhr Moira panisch auf. »Ann, bitte, bitte, öffne die Tür! Oder weck wenigstens den Doktor. Ich muss dringend mit ihm reden! Es … es geht um Duncan! Ann, bitte, mach die Tür auf und lass mich zu McIntyre!«
    Sie bekam keine Antwort.
    Â»Ann!«
    Â»Der Doktor ist nicht hier«, erklang es dann.
    Â»Was? Wo ist er?«
    Â»Das darf ich nicht sagen.«
    Moira hätte fast aufgeschrien. Stattdessen hämmerte sie erneut an die Tür. »Bitte, Ann, ich … ich brauche ihn!«
    Â»Sagt Ihr die Wahrheit?« Anns Stimme klang misstrauisch. Nach allem, was vorgefallen war, konnte Moira es ihr nicht verdenken. »Geht es wirklich um Duncan – und nicht um … das Kind?«
    Moira richtete sich wieder auf. »Ja, Ann, bitte glaub mir. Duncan … Er ist zurückgekommen, aber er ist schwer ­verletzt. Der … der Arzt im Lazarett will ihm das Bein abschneiden.« Die Angst schmeckte salzig auf ihren Lippen. »Ann, du musst …«
    Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich ganz schwach Joeys Schreien zu hören glaubte. Die Sehnsucht nach ihrem Kind sprang sie mit unvermittelter Wucht an, aber sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen …
    Â»Ann, hör mir zu! Wo ist er? Wo ist Dr. McIntyre?«
    Â»Es … es tut mir leid, Mrs McIntyre, aber ich kann Euch nicht helfen. Der Doktor hat mir verboten, es irgendjemandem zu sagen.«
    Â»Er hat einen Eid geschworen, den Kranken zu helfen!«, rief Moira.
    Keine Antwort.
    So kam sie nicht weiter. Sie bezwang ihre Verzweiflung und griff zum letzten Mittel, das ihr einfiel. »Du wirst in die Hölle kommen, wenn du mir jetzt nicht hilfst, Ann, das weißt du doch? Viele kleine Teufel werden deine Seele quälen, bis in alle Ewigkeit!«
    Hörte sie da ein leises Schluchzen hinter der Tür?
    Â»Ann, bitte. Willst du … willst du verantworten, dass sie ihm das Bein abschneiden? Dass er zum Krüppel wird? Bitte,

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