Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
einflößte, behielt er nicht bei sich. Laudanum, das ihm Linderung verschafft hätte, wurde erst wieder mit dem nächsten Schiff aus Eur opa erwartet.
    Man hatte ihn in einen kleinen Raum neben dem Krankensaal gebracht, der für die Schwerkranken vorgesehen war, die besonderer Pflege bedurften. Vier Pritschen standen hier; die drei anderen waren zurzeit nicht belegt. Moira blieb Tag und Nacht bei ihm, saß Stunden um Stunden an seinem Bett und zwang sich, stark zu sein. Nicht zu weinen. Weinen nützte nichts und vergeudete nur Energie.
    Sporadisch tauchte Joseph auf und verschwand stets bald wieder, da Moira ihm noch immer grollte, schließlich war er für Duncans Verletzung verantwortlich. Ein einziges Mal l ieß sie sich dazu hinreißen, ihm zu erzählen, was in der Zw ischenzeit passiert war. Sie wunderte sich selbst über sich, wie unbeteiligt sie über all die schrecklichen Dinge der vergangenen Wochen reden konnte.
    Nur einmal fuhr sie auf: als Duncan vom Höllenfeuer und grinsenden Teufelsfratzen phantasierte und Joseph sie daraufhin vorsichtig fragte, ob er Vater Dixon holen solle, der ihm die letzte Ölung spenden könne.
    Â»Er wird nicht sterben!«, fauchte sie. »Hör auf, so etwas auch nur zu denken!«
    Zumindest konnte sie sich nicht über die ärztliche Versorgung beklagen. McIntyre hatte offenbar seine Schichten umgestellt, so dass er jetzt bis auf kurze Pausen fast ununter brochen im Lazarett war und stündlich nach seinem Patien ten sehen konnte. Er schien um Jahre gealtert zu sein. Um seinen Mund zeichneten sich tiefe Falten ab und ließen sein ohnehin griesgrämiges Gesicht noch mürrischer erscheinen.
    Auch Dr. Emmerson zeigte sich, sprach sich aber nach einer kurzen Untersuchung weiterhin für eine Amputation aus. Dass der ebenfalls anwesende McIntyre ihm nur zögerlich widersprach, erfüllte Moira mit mehr Angst als alles andere. Daneben waren die Sorgen der vergangenen Wochen zu kleinen, bedeutungslosen Kieselsteinen geschrumpft. Sie nahm kaum wahr, dass ihre Haare stumpf und zottelig wurden, dass ihre Brüste aufhörten zu schmerzen und der Milchfluss versiegte. Selbst der Gedanke an Joey war in den Hintergrund getreten. Sie fragte McIntyre lediglich, ob ihr Sohn gut versorgt sei. Das beantwortete er mit einem Nicken und der knappen Auskunft, Ann und die Amme, Mrs Harris, kümmerten sich um ihn.
    Einmal schlich sich Ningali im Schutz der Nacht ins Zimmer und versuchte, Duncan mit ihrer eigenen Heilkunst zu helfen. Als sie merkte, dass sie nicht ohne weiteres an die Wunde herankam, die von einem festen Verband bedeckt war, überreichte sie Moira eine in Blätter gewickelte Paste. Sie ging erst, als Moira ihr versprochen hatte, das Heilmittel an den Doktor weiterzugeben. Erwartungsgemäß weigerte McIntyre sich, den »Hokuspokus der Wilden« anzuwenden.
    Zur Sorge um Duncan kam auch noch die um Ningali. So gern Moira das Mädchen auch um sich hatte – es war in großer Gefahr. Hier in Parramatta konnte es von jedermann erschossen werden, der glaubte, einen der Wilden vertreiben zu müssen. Wenigstens hatte Joseph zugesichert, sich um seine Tochter zu kümmern.
    Die Zeit in der Kammer schien zu einem einzigen, unendlich langen Augenblick zu erstarren, der nur von McIntyres Besuchen unterbrochen wurde oder wenn jemand etwas zu essen oder trinken brachte. Immerhin schien sich allmählich eine leichte Besserung abzuzeichnen; Duncan wachte mehrmals kurz auf und war dann für ein paar Minuten klar genug, um Moira zu erkennen und mit ihr zu sprechen, bevor er wieder einschlief.
    Auch Moira döste immer wieder ein, schrak aber jedes Mal sofort auf, wenn jemand eintrat oder wenn Duncan sich bewegte. Irgendwann an diesem endlosen Nicht-Tag öffnete sich die Tür erneut. Dem Licht nach, das durch das Fenster fiel, musste es später Nachmittag sein.
    Aber diesmal war es nicht McIntyre.
    Â»Elizabeth!« Moiras Stimme war kaum mehr als ein er schöpftes Flüstern. Ihre Glieder waren bleischwer, sie fühl te sich, als würde sie schon seit Wochen hier sitzen.
    Die Freundin eilte auf sie zu, fasste sie bei den Händen. »Mein Gott, Moira, was höre ich? Wie geht es ihm?«
    Â»Etwas besser«, murmelte Moira. »Glaube ich.«
    Mit Elizabeth Macarthur war ein Mann ins Zimmer gekommen. Hochgewachsen, nicht mehr jung, aber gutaussehend – und Moira auf seltsame Weise vertraut.

Weitere Kostenlose Bücher