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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Sie starrte ihn an, suchte in ihrem Gedächtnis nach einem Namen, aber erst, als er sie ansprach, erkannte sie ihn.
    Â»Joseph?«
    Sie traute ihren Augen kaum, und für einen Moment überlagerte die Überraschung sogar ihre Sorge. Duncans Vater sah völlig verändert aus. War das wirklich derselbe Mann, der sich heute Morgen bärtig, mit langem Zopf und gekleidet in ein Kängurufell, von ihr verabschiedet hatte, um Ningali aus Parramatta fortzubringen? Jetzt trug er Hemd, Weste und Hose, vermutlich aus Mr Macarthurs Kleiderschrank, war glattrasiert und hatte die grauen Haare auf eine ordentliche Länge gestutzt. Nur die etwas hellere Färbung seiner unteren Gesichtshälfte verriet, dass hier bis vor wenigen Stunden noch ein kurzer Bart Kinn und Wangen bedeckt hatte.
    Â»Joseph«, hauchte Moira erneut. »Du … du siehst aus wie …«
    Â»Wie ein Gentleman, ganz recht«, ergänzte Elizabeth. »Wie Ihr Euch unschwer denken könnt, liebe Moira, habe ich Mr O’Sullivan senior wieder zu einem zivilisierten Erscheinungsbild verholfen, damit man ihn nicht länger für einen der Eingeborenen hält. Aber was muss ich sehen, meine Liebe – Ihr seid ja nur noch ein Schatten Eurer selbst! Wann habt Ihr das letzte Mal etwas gegessen? Oder geschlafen?«
    Tadelnd blickte sie auf die unangetastete Suppe und das Stück Brot daneben. »So geht das nicht weiter«, entschied sie dann. »Ihr werdet jetzt mit zu mir kommen und Euch ein wenig ausruhen. Es hilft niemandem, wenn Ihr hier zusammenbrecht.«
    *
    In dem kleinen Gebäude gegenüber dem Lazarett, das den diensthabenden Ärzten zur Verfügung stand, ließ Alistair sich auf einen der beiden Stühle sinken und nahm einen weiteren tiefen Schluck. Wohltuend besänftigend strömte der Alkohol durch seine Adern.
    Ganz gegen seine strengen Prinzipien hatte er sich an diesem Abend etwas Rum gegönnt. Normalerweise trank er nicht – nicht mehr seit jenem verhängnisvollen Tag in Dublin, den er am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis streichen wollte. Jener Tag, als er sich mit einem Mann ver sündigt und seine erste Frau Victoria daraufhin ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte. Aber am heutigen Abend verlangte es ihn so dringend wie schon lange nicht mehr nach etwas, das seine kreisenden Gedanken und die beständige Sorge ein wenig dämpfte. Das ihn vergessen ließ, dass Duncan womöglich doch noch sein Bein verlieren würde. Oder sein Leben.
    Nein – nein, das würde nicht passieren! Hastig kippte er den Rest des Rums hinunter, ließ das scharfe Getränk durch seine Kehle rinnen und sich in seinem Magen ausbreiten, bis ihn ein angenehmes Gefühl der Ruhe durchströmte.
    Im Unterschied zu Moira durfte er sich seine Gefühle nicht anmerken lassen. Dabei hielt Moira sich gut, auch wenn sie am Rande der absoluten Erschöpfung balancierte. Er sah keine Träne an ihr, hörte kein Jammern oder Klagen. Vorhin war Mrs Macarthur gekommen und hatte sie überreden können, mit ihr zu gehen. Joseph O’Sullivan, der mittlerweile wieder ein europäisches Äußeres angenommen hatte, und das Eingeborenenmädchen, das er als seine Tochter bezeichnete, waren ebenfalls fort. Wahrscheinlich hatten die beiden sich wieder in den Busch oder wohin auch immer zurückgezogen. Alistair hatte Duncans Vater schl ießlich gewarnt: Es sei gefährlich für ihn, hier noch länger zu verweilen, denn Captain Penrith könne erfahren haben, dass er in Parramatta sei.
    Zu Alistairs Erleichterung hatte Penrith weniger Problem e als befürchtet gemacht, als er ihm gesagt hatte, für die nächste Zeit im Lazarett unabkömmlich zu sein. Penrith war damit einverstanden gewesen. Sie könnten mit der Quecksilberkur pausieren, hatte der Captain erklärt, und sie zu einem späteren Zeitpunkt fortführen. Alistair hatte mit Drohungen und Widerstand gerechnet und schon überlegt, wie er aus diesem Dilemma herauskommen könnte. Dass Penrith so einsichtig war, konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten. Oder litt der Captain bereits schon so sehr unter der Quecksilberkur, dass er jede Unterbrechung begrüßte?
    Er griff nach der Kerzenlaterne und seinem Arztkoffer. Ein letztes Mal für heute würde er jetzt nach Duncan sehen und dann den Heimweg nach Toongabbie antreten, um sich für ein paar kurze Stunden hinzulegen.
    Der Raum roch

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