Im Tal des wilden Eukalyptus
habe mir alles genau überlegt. Das Schwierigste wird sein, in McIntyres Schlafkammer einzudringen und in sei ner Westentasche nach dem Schlüssel zum Studierzimmer zu suchen. Aber er hat einen tiefen Schlaf, und ich glaube â«
»Hör mir doch mal zu!«, unterbrach Duncan sie, nun etwas lauter. »Davon rede ich doch gar nicht. Ich meinte, spätestens wenn McIntyre aus Irland eine Abschrift der Urkunde anfordert, war alles vergebens.«
Moiras Schultern, die sie eben noch kampfeslustig hochgezogen hatte, sanken herunter. Wieso hatte sie das bloà nicht bedacht? Sie war so begeistert von ihrem schönen Plan gewesen, dass solche Ãberlegungen keinen Platz gefunden hatten.
»Trotzdem«, beharrte sie. So schnell würde sie nicht aufgeben. »Bis es so weit ist, vergehen etliche Monate, und wir könnten unser Land verkaufen und ⦠und woandershin gehen.«
»Wohin denn? Noch ist diese Kolonie zu klein und überschaubar, um nicht gefunden zu werden. Willst du dich ständig verstecken?«
»Aber ⦠wie soll ich denn sonst von diesem Dr. Sauertopf loskommen?« Am liebsten hätte sie auf irgendetwas eingeschlagen. »Es geht ja nicht nur um Joey. Solange ich mit dem alten Bock verheiratet bin, kann er jedes Kind fordern, das wir bekommen. Und eine Scheidung durchzusetzen, ist für mich völlig unmöglich.« Wütend strich sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »Kann er nicht einfach tot umfallen? Wenn er stirbt, wäre ich endlich frei.«
Duncan nahm ihre Hände in seine. »Es gibt womöglich einen Ausweg«, sagte er dann. »Wenn auch keinen, der alles lösen wird. Wir müssen nur darum beten, dass McIntyre mitspielt.«
*
Die gute Stube des Doktors zeugte von bescheidenem Wohlstand. Seit Duncan das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich einiges verändert. An der Wand hingen jetzt ein paar Tuschezeichnungen von Blumen und Pflanzen sowie eine, die den Hafen von Sydney zeigte, in einer Ecke stand ein kleiner Bücherschrank, und den Boden schmückte ein gewebter Teppich. Durch die angelehnte Tür drang der Geruch frisch gebackenen Brots und ganz schwach der einer medizinischen Essenz. Der Doktor behandele gerade einen Patienten, hatte Ann gesagt, als sie ihn in die Stube geführt hatte. Ihr Blick war misstrauisch gewesen â die Erfahrung hatte sie schlieÃlich gelehrt, dass Moira und damit wohl auch ihm nicht zu trauen war. Auch jetzt lieà sie Duncan nicht aus den Augen und drückte sich unauffällig vor der angelehnten Tür herum; er konnte ihre leisen Schritte hören.
Ann hatte eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, musste Duncan wieder einmal feststellen, wenn auch nicht unbedingt zum Besseren; aus dem verhuschten Sträflingsmädchen, das kaum ein Wort hervorbrachte, war eine argwöhnische junge Frau geworden, die inzwischen um einiges selbstbewusster auftrat.
Anders als Ann wirkte der Doktor weniger misstrauisch als nervös, nachdem er Duncan begrüÃt und ihm einen Sitz angeboten hatte. Duncan hätte es vorgezogen, zu stehen, aber so hätte er noch mehr als Bittsteller gewirkt, und er wollte dem Doktor auf Augenhöhe begegnen. AuÃerdem konnte er so seine eigene Anspannung besser verbergen.
»Wie gehen Eure Forschungen voran?«, erkundigte er sich. Er wollte schlieÃlich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.
»Interessiert dich das wirklich?« McIntyre warf ihm eine n zweifelnden Blick zu, aber dann blitzte in seinen Augen Hoffnung auf. Es musste schwer für ihn sein, mit niemandem darüber reden zu können, aus Furcht, jemand könnte ihm mit seinen Erkenntnissen zuvorkommen. Nur mit Duncan hatte er manchmal seine Ãberlegungen geteilt. »Nun ja, ich habe das oculus introspectans weiterentwickelt. Zumindest auf dem Papier. Vor kurzem kam endlich die Linse, die â«
Er verstummte, als eine Tür ging. Im Flur waren kräftige Schritte zu hören und eine unbekannte Frauenstimme. War das die Amme, von der Moira erzählt hatte?
»Aber du bist wohl kaum hier, um mit mir über meine Forschungen zu reden«, fuhr McIntyre dann sichtbar angespannt fort. »Brauchst du Geld? Ich habe meinen monatlichen Schuldschein erst letzte Woche abgegeben.«
»Nein, Sir, darum geht es nicht.« Duncans Wangen br annten vor Scham. »Im Gegenteil. Ich habe Euch ein Angebot zu machen.«
»Ein Angebot? Ich
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