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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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zu bewegen war, dann würde er es tun. Auch wenn das bedeutete, womöglich gleich das oculu s schlucken zu müssen.
    Â»Alles? Wie meinst du das?« McIntyre hatte sich vorgebeugt, seine Stimme klang auf einmal ein wenig höher als sonst.
    Duncan sah ihn irritiert an. Was sollte diese Frage? »Das müsst Ihr wissen. Ihr seid der Wissenschaftler.«
    Kaum hatte er es ausgesprochen, schien sich ein Ring um seinen Hals zu ziehen, und zwischen seinen Schulterblättern sammelte sich kalter Schweiß. Allein der Gedanke an das fingerdicke Rohr in seiner Kehle ließ würgende Übelkeit in ihm aufsteigen, und er biss die Zähne zusammen, um sich nicht gleich auf dem Teppich zu übergeben.
    Aber auch dem Doktor schien plötzlich unwohl zu sein; er schwitzte und sah irgendwie krank aus. Was ging hier vor? Der Anflug einer Ahnung zischte vorbei wie ein flüchtiges Insekt und war im nächsten Moment verschwunden.
    Â»Sir?«
    Â»Was?« McIntyre blickte erschrocken auf und strich sich fahrig über seinen Backenbart. »Ich muss darüber nachdenken«, brachte er dann hervor. »Du hörst von mir.«
    *
    Der Regen prasselte an die Scheibe des Studierzimmers, als verlange er nach Einlass, und hinterließ langgezogene Tropfen auf dem Glas. Alistair betrachtete die Zeichnungen und Notizen, mit denen sein Schreibtisch übersät war; viele alte Papiere, aber auch einige neue. In den vergangenen Monaten war Ruhe in sein Leben eingekehrt. Er hatte einen Sohn, der sich prächtig entwickelte, Major Penrith hatte ihn nach seiner Genesung von der Syphilis großzügig bedacht, und die Arbeit in Praxis und Lazarett lief zufriedenstellend. Jetzt war die Zeit da, sich wieder seinen Forschungen zu widmen. Er hatte die Arbeit am oculus wieder aufgenommen, die alten Zeichnungen durchgesehen und dabei gespürt, wie das Feuer der Wissenschaft wieder in ihm zu lodern begonnen hatte. Vor zwei Wochen war auch endlich die geschliffene Linse eingetroffen, die er in England bestellt hatte und die hoffentlich einen besseren Blick ins Körperinnere ermöglichen würde als die bisherigen behelfsmäßigen Spiegel.
    Duncans Angebot, wieder als sein Gehilfe zu arbeiten, erschien ihm da wie ein Wink des Schicksals. Sicher, er könnte auch einen anderen geschickten Handwerker auftreiben, der nach seinen Anweisungen am oculus arbeitete. Und für ein paar Münzen fand sich wohl auch irgendein Sträfling, an dem er es ausprobieren könnte. Aber das würde weitere Mitwisser bedeuten – nichts, was Alistairs chronisches Misstrauen besänftigen würde. Duncan dagegen hatte sich schon früher als wertvoller Gehilfe erwiesen, der alles Nötige in sich vereinte; er hatte handwerkliche Fähigkeiten, war ideenreich und zuverlässig und gab eine recht ordentliche Versuchsperson ab.
    Alistairs Ehrgeiz war erneut erwacht. Er würde das oculus weiterentwickeln, es länger und filigraner anfertigen lassen. Einen ausführlichen Artikel im London Medical Journal veröffentlichen. Seine bahnbrechende Erfindung vor den anderen Ärzten in Sydney präsentieren und irgendwann vielleicht sogar in Europa. Man würde ihn feiern als neuen Typus des modernen Arztes, ihn, Dr. Alistair McIntyre, Erfinder des oculus introspectans, des hineinschauenden Auges, und niemand würde mehr über seine ehemaligen Verfehlungen sprechen.
    Wenn er dafür bei dieser Farce einer öffentlich versteigerten Ehefrau mitspielen musste, wie Duncan ihm heute vorgeschlagen hatte, dann war das ein Preis, mit dem er leben konnte.
    Erneut kehrten seine Gedanken zu diesem unerwarteten Besuch zurück. Alles, hatte Duncan gesagt. Er würde alles tun, was Alistair von ihm verlangte. Wie hatte er das gemeint? Ein plötzlicher Schauer der Angst rieselte seine Wirbelsäule hinab und verdrängte das Hochgefühl von soeben. War es möglich, dass Duncan etwas wusste von Alistairs schändlicher Neigung zum eigenen Geschlecht? Ahnte er gar, wie sehr Alistair sich nach ihm verzehrte?
    Nein, das war ganz und gar undenkbar! Er war doch stets so vorsichtig gewesen.
    Und doch … Wenn Duncan nun doch etwas gemerkt hatte? Wenn er – es doch wusste? War sein Angebot dann womöglich noch anders zu verstehen?
    Alistair hielt den Atem an, als sich ein neuer Gedanke in ihm breitmachte. Ein schlechter, verbotener, verdorbener Gedanke. Einer, der die beginnende Panik verdrängte und ihn

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