Im Tal des wilden Eukalyptus
als Kind in Waterford einmal einem ganz ähnlichen Ereignis beigewohnt zu haben. Howe und Wentworth bestätigten diese Praxis ebenfalls und steuerten noch einige Anekdoten über davongelaufene Ehefrauen bei, und selbst McIntyre gab zu, schon von solchen »Scheidungen« gehört zu haben. Dieses Vorgehen entsprach zwar nicht unbedingt geltendem Recht, wurde aber vom Magistrat stillschweigend geduldet, zumal es stets öffentlich stattfand und damit eine gewisse rechtliche Gültigkeit aufwies. Der »Käufer« war dabei fast immer der Liebhaber der Frau, mit dem sich der gehörnte Ehemann schon vorher geeinigt hatte; ein zumeist für beide Seiten befriedigender Abschluss.
McIntyre führte Moira bis in die Mitte des Marktplatzes, wo Mr Howe, der heute als Auktionator fungieren würde, sie bereits erwartete. Er stand neben einer kräftigen Holzplatte, die man über zwei hölzerne Böcke gelegt hatte und gewöhnlich für die Versteigerung von Kleinvieh vorgesehen war. Moira warf Duncan einen raschen Blick zu, dann lieà sie sich, den Strick noch immer um die Taille, von Mr Howe auf den behelfsmäÃigen Tisch helfen.
Was hier stattfand, war dermaÃen unwirklich, dass es ihr vorkam wie ein Traum. Sie konnte nicht einmal sagen, ob es ein angenehmer Traum war oder ein Alptraum. All die vielen Menschen, die Gesichter, die sich ihr nach und nach unter einem wolkenlosen Himmel zu wandten. Sie hörte, wie die Händler ihre Waren anpriesen, eine Mutter schimpfte mit ihrem Kind, ein Topf fiel mit lautem Getöse von einem sorgsam aufgeschichteten Stapel, eine Ziege blökte. Der Geruch von gebratenem Fleisch und süÃem Kuchen mischte sich mit dem von verschwitzten Körpern und tierischen Exkrementen. Und neben sich, ebenerdig, das Ende des Stricks in der Hand, ihr Ehemann. Er hatte einen hochroten Kopf und tat so, als würde er etwas auf dem Boden betrachten. Mit einem Mal bemitleidete sie ihn. Moira verstand noch immer nicht ganz, was McIntyre veranlasst hatte, bei dieser Posse mitzumachen. War es wirklich das Unterhaltsgeld für sie, das er dadurch einsparte? Duncan hatte ihr erklärt, er würde auÃerdem für eine gewisse Zeit wieder als McIntyres Gehilfe arbeiten.
»Meine Damen und Herren!«, rief Mr Howe jetzt mit kräftiger Stimme, die mühelos durch das Geschnatter der Marktbesucher drang. »Wenn Ihr mir bitte Euer Gehör schenken würdet. Ich bin von Dr. McIntyre, Arzt aus Too ngabbie, beauftragt worden, seine Gemahlin dem Höchstbietenden zu verkaufen.«
Moira spürte, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss. Nach einem Moment der Stille ertönte vereinzelt Gelächter, dann ging das Geschnatter weiter, und viele drängelten und schubsten, um einen möglichst guten Platz zu bekommen. Moira warf den Kopf zurück und wappnete sich mit einem hochmütigen Blick gegen das allgemeine Starren. In der Menge entdeckte sie den blonden Schopf von DâArcy We ntworth, der ihr jetzt freundlich zunickte; an seiner Seite stand sein ältester Sohn, der zwölfjährige William. Sie sah noch weitere Bekannte: einen von Elizabeths Sträflingen, einen Nachbarn und die Frau, bei der sie manchmal Reis, Tee oder Kerzen kaufte. Zu ihrer Erleichterung schienen weder Joseph noch Ningali anwesend zu sein. Moira hatte keine Ahnung, wo Duncans Vater sich herumtrieb; seit Wochen hatten sie ihn nicht mehr gesehen. Aber auch wenn die Erlaubnis, auf jeden Eingeborenen in und um Parramatt a schieÃen zu dürfen, nach Pemulwuys Tod wieder zurückgezogen worden war, so war es sicher besser, wenn die beiden sich nicht hier zeigten. Zumal sich auch einige Soldaten des New South Wales Corps eingefunden hatten.
Moira erstarrte: Dort hinten, neben dem Stand mit Backwaren, war Major Penrith!
Ein Gefühl, als würde sie jemand würgen, legte sich um ihre Kehle. Was tat er hier? Wollte er diese halblegale Auktion etwa unterbinden? Ihnen schon wieder einen Stock zwischen die Beine werfen? Nein, versuchte sie sich zu beruhigen, dann wäre er sicher schon längst eingeschritten. Wahrscheinlich wollte er sich lediglich an dem peinlichen Schauspiel ergötzen. Auf ihre Kosten.
Sie ballte die Fäuste. Ihr erster Impuls war es, vom Tisch zu steigen und die ganze Sache abzubrechen. Aber dann fiel ihr Blick auf Duncan, der ihre Aufregung bemerkt hatte und sie fragend ansah. Sie deutete unauffällig in Penriths Richtung, und Duncan wandte
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