Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
würde… «
Hatte er das gerade wirklich gesagt?
In ihr setzte etwas aus. Die Angst hielt den Atem an. Thomas hatte die letzte Grenze überschritten und sie direkt bedroht. Johanna stieß seine Arme fort und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Thomas taumelte zurück und starrte sie ungläubig an. Wie aus weiter Ferne hörte sie den Eintopf auf dem Herd brodeln. Es zischte, als die ersten Spritzer auf dem heißen Metall landeten und verkohlten.
» Dein Essen ist fertig « , sagte sie kühl und ließ ihn stehen.
Sechs Tage später kehrte Johanna ihrem Heim am Lake Tarapunga endgültig den Rücken. Seit Thomas’ Ausbruch in der Küche hatte sie sich keinen Moment mehr sicher gefühlt. Wegen ihm hatte sie schon einmal ein Kind verloren, dieses konnte er ihr nicht nehmen.
Sie brach am Morgen auf.
Thomas war bereits vor der Dämmerung losgezogen, nachdem er am Abend zuvor vor ihrer verschlossenen Schlafzimmertür gestanden und um Einlass gebeten hatte.
Seine geflüsterten Liebesschwüre klangen ihr jetzt noch in den Ohren. Er tue das alles nur für sie! Wahrscheinlich durchschaute er sich selber nicht einmal und glaubte, was er sagte. In Wirklichkeit, so war Johanna überzeugt, tat er alles nur für sich selbst.
Sie hatte ihm einen Abschiedsbrief geschrieben und auf seinem Schreibtisch deponiert. Die Nachricht war kurz. Sie breche früher auf, weil das Wetter günstig sei, und wünsche ihm viel Erfolg auf der Fahrt den Whanganui hinauf. Das klang schon fast wie ein Versöhnungsangebot. Auf keinen Fall sollte er zu früh Verdacht schöpfen.
Hariata hatte in den Tagen vor der Abreise unauffällig die Dinge gepackt, an denen Johannas Herz hing.
Nun war alles, was sie besaß, auf die Rücken von vier Pferden gepackt. Es war merkwürdig, zum letzten Mal durch das Haus zu gehen, an dem so viele Erinnerungen hingen. Hier hatte sie um ihr Leben gekämpft, und hier hatte Heeni das ihre verloren. Vereinzelt sah man immer noch kleine Löcher im Holz, dort, wo Kugeln die Wände durchschlagen hatten.
Johanna fühlte sich, als ginge sie über einen Friedhof. Fuhr mit den Fingern die Wände entlang, strich über Möbel und Geländer wie über Grabsteine.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und trat in den Hof.
Dieses Leben lag hinter ihr. Es war Zeit, die Tür hinter sich zu schließen und ein neues anzufangen.
Hariata lächelte breit, als Johanna die Stufen herunterkam. Als sie den ersten Schritt über den Hof machte, schrak sie zusammen. Panik durchflutete sie und wurde im nächsten Moment von einem warmen Glücksgefühl abgelöst.
Das Kind hatte sich bewegt. Zum ersten Mal, sie hatte es genau gespürt. Johanna konnte nicht verhindern, dass ihr Freudentränen in die Augen traten.
Sie legte ganz sacht die Hände auf den Bauch und lauschte in sich hinein, doch es geschah nicht wieder. Das kleine Wunder schien wie ein leuchtendes Symbol des Neuanfangs.
Johanna fühlte eine wohlige Wärme in sich und war unsagbar glücklich.
Hariata, die alles genau beobachtet hatte, schwieg bewegt. Es brauchte keine Worte, um das Glück zu teilen.
Johanna hatte es nun noch eiliger, von dem Haus fortzukommen. Weit weg von Thomas und seinen mörderischen Gedanken. Sie band ihr neues Pferd los, einen jungen Wallach, den ersten Sohn ihrer verstorbenen Stute Star, der nun alt genug war, die Aufgabe seiner Mutter zu übernehmen. Einige Tiere waren Tage nach dem Brand zum Haus zurückgekehrt. Er war einer der ersten gewesen, und trotz seines jugendlichen Alters ein ruhiges Tier, dem sich Johanna gerne anvertraute.
Hariata mühte sich ebenfalls in den Sattel, und dann ging es im flotten Trab am Ufer entlang.
Johanna sah kein einziges Mal zurück.
Urupuia
S ie erreichten Urupuia am späten Nachmittag. Johanna kam es vor, als hätte das sonnenbeschienene Dorf nie schöner ausgesehen. Kleine Wellen umspielten die Bootsstege, Kanus und größere Wakas schaukelten sacht hin und her, während Kinder im flachen Uferbereich spielten und einander lachend mit Wasser bespritzten.
Johanna trennte sich von Hariata und ritt den Hang hinauf zum Haus von Abigail und Tamati. Die Irin saß auf einem Korbstuhl auf der Veranda und besserte Kleidung aus, doch sobald sie Johanna entdeckte, sprang sie auf und lief ihr entgegen.
Sie redeten den ganzen Abend und die halbe Nacht. Abigail bedauerte Johannas Weggang, doch mehr überwog die Freude, dass sie endlich diesen entscheidenden Schritt getan hatte.
Tamati, der erst spät am Abend heimkam und
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