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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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an der Schulter geschüttelt wurde.
    » Mrs Waters, wachen Sie auf. Wir müssen hier weg! «
    Sie schrak hoch und sah in Hariatas besorgtes Gesicht. Die Maori drehte sich immer wieder um und schien durch die dünnen Flechtwände der Hütte nach draußen zu lauschen. Angst überkam Johanna, und ihre Finger wurden klamm, bevor sie überhaupt wusste, warum.
    » Was ist los? « , fragte sie flüsternd.
    » Diese Fehde… Aupikinga wird angegriffen. Wir sollten nicht hier sein, wenn es losgeht. «
    » Angegriffen? Woher…? «
    » Keine Zeit. Die Krieger sammeln sich, beeilen wir uns. Es dauert nicht mehr lange bis zum Morgengrauen. «
    Johanna fragte nicht länger. Für sie zählte nur noch eines: Sie wollte fort von hier und ihr ungeborenes Kind in Sicherheit bringen. Sie zog sich an und raffte einige Dinge zusammen. Es war gespenstisch. Überall im Dorf erklangen Stimmen, leise Rufe, alle Geräusche wie durch eine dicke Watteschicht gedämpft.
    Johanna schlang sich die gepackten Satteltaschen über die Schulter. Nachdem Hariata ein Messer gezückt hatte, zögerte auch sie nicht mehr, ihre Pistole zu laden und griffbereit in den Gürtel ihres Reisekleides zu schieben.
    Die Maori spähte aus der Tür und schlich hinaus.
    Im Licht des erwachenden Tages konnten sie überall Dorfbewohner ausmachen, die hastig die Häuser verließen. Frauen mit Bündeln und kleinen Kindern in den Armen strebten bergauf, während Krieger mit Speeren und Musketen bewaffnet ins Tal liefen.
    » Wir müssen zu den Pferden, schnell! «
    Die beiden Frauen huschten zwischen den Gebäuden hindurch. Je näher sie zum Rand des Dorfes kamen, umso weniger Menschen begegneten sie. Irgendwo begann ein Hund zu heulen, dann brachen alle Hunde Aupikingas in wildes Gebell aus. Das konnte nur eines bedeuten: Der Feind war schon ganz nah.
    Endlich erreichten sie den Pferch. Die Pferde spielten verrückt, panisch hetzten sie von einer Seite zur anderen, wo sie nach einigen Sprüngen von Palisaden an der Flucht gehindert wurden.
    Johanna versuchte, ihren Wallach zu beruhigen, doch das Tier ließ sich nicht einfangen. Hariata wollte ihr gerade helfen, als die Tür des Schuppens nebenan von innen aufgestoßen wurde und ein Trupp Maori-Krieger herauskam. Dort hatte Johanna ihr Handelsgut untergebracht. Irritiert sah sie hinüber. Auch die Männer entdeckten sie. Für einen Moment schienen alle wie festgefroren.
    Die Krieger hatten Johannas Gewehre gestohlen, mit denen sie die Skulpturen bezahlen wollte. Einem schlanken Mann, gerade dem Kindesalter entwachsen, hingen gleich sechs über der Schulter, während er in der linken Hand ein Säckchen mit Munition hatte. Johanna kannte ihn, es war der Sohn des Häuptlings.
    » Bleib stehen, Etera! «
    Der junge Mann schien nicht daran zu denken. Er zischte den beiden Älteren etwas zu, die im nächsten Moment vor Hariata und ihr standen.
    » Ihr seid hier nicht sicher « , sagte der Krieger und fasste Johanna grob am Arm. » Komm, zum Pa, zum Fort! «
    Doch Johanna hatte ein für alle Mal genug, sich von Männern sagen zu lassen, was sie tun, wohin sie gehen sollte. Als der Krieger versuchte, sie wegzuzerren, drückte sie ihm den Lauf ihrer Pistole in die Seite und zog den Abzugshahn zurück.
    Der Maori erstarrte für einen Moment, dann wandte er den Kopf und sah sie zum ersten Mal direkt an, als nehme er sie erst jetzt, da sie sein Leben bedrohte, richtig wahr.
    » Loslassen « , sagte Johanna und erwiderte den Blick stur.
    Der Maori löste langsam seine Finger, dann drehte er sich um und ging zu den anderen beiden Kriegern. Johanna konnte es nicht glauben. So einfach ließen sie sie in Frieden?
    Im nächsten Moment zerrissen Schüsse die Stille. Direkt neben Johanna perforierten sie die Schuppenwand und zerfetzten die Blätter der Flachsstauden davor. Sie kamen genau aus der Richtung, in die Hariata und sie hatten fliehen wollen.
    Johanna sah gerade noch, wie ihr Wallach, nun endgültig in Panik, zu einem Sprung über den Zaun ansetzte. Die Palisade war viel zu hoch für den Shire-Mischling, doch gegen seine rohe Kraft hatte die Umzäunung keine Chance. Sie brach unter dem Gewicht zusammen. Das Tier verhedderte sich kurz in den zerborstenen Latten, dann galoppierte es davon. Die restlichen Packpferde folgten.
    » Hinauf, zum Pa, dort ist es sicher! « , rief Etera. Weitere Schüsse zerfetzten Palmen und Palisaden, und Johanna brauchte nicht weiter überredet zu werden.
    Gemeinsam mit Hariata folgte sie den Pferden bergauf.

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