Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
Vom Netzwerk:
Die Krieger von Aupikinga bezogen hinter dem Schuppen Stellung und zielten auf einen unsichtbaren Feind, der irgendwo im Dschungel verborgen lag.
    Johanna rannte, beide Hände auf den Unterleib gepresst. Sie durfte das Kind nicht verlieren, nicht Liams. Tränen erschwerten es ihr, den Weg vor sich zu erkennen. Trampelpfade führten immer weiter hinauf. Es ging im Zickzack durch niedriges Buschland aus Schnurbäumen und Büscheln von Tussockgras.
    Johanna atmete schwer, Kehle und Mund waren trocken. Sie wusste nicht, wo sie die Kraft hernahm, doch sie lief immer weiter, ganz gleich, wie heftig ihr Herz hämmerte oder die Oberschenkel vor Anstrengung brannten.
    Schließlich verschwand das Buschland und wich frischem grünen Gras. Vor ihnen lag die Kuppe eines kleinen Berges und das Pa. Die Maori-Festung.
    Johanna hatte ein solches Bauwerk nie zuvor gesehen. Gräben und zwei Ringe aus Holzpalisaden bildeten vorgelagerte Bollwerke, die eigentliche Festung lag auf der Hügelkuppe.
    Hariata fasste Johanna unter dem Arm und half ihr den steilsten Teil des Berges hinauf. Nur noch wenige Frauen und Alte erklommen mit ihnen den Hang. Aus dem Dorf klangen Schüsse herauf, doch Verfolger waren keine zu sehen.
    Nur noch ein kurzes Stück, und sie waren in Sicherheit.
    Als Letzte überquerte Johanna die hölzerne Behelfsbrücke, die einen der Verteidigungsgräben überspannte. Sobald sie auf der anderen Seite war, wuchteten sich vier kräftige Männer das Konstrukt auf die Schultern und liefen ebenfalls zum Pa.
    Endlich ragten die meterhohen Palisaden des Forts vor ihr auf. Sobald Johanna durch das Tor war, verließen sie die letzten Kräfte. Im schützenden Innenhof sank sie auf die Knie. Ihre Beine zitterten. Die Lunge brannte wie Feuer und sandte schmerzhafte Stiche in ihre Rippen.
    Hariata kniete sich neben sie und legte eine Hand auf Johannas Bauch.
    » Haben Sie Schmerzen? Fühlen Sie das Kind noch? «
    Im Nu war Johanna umringt von Frauen, die sich aufgeregt in ihrer Sprache unterhielten und scheinbar alle um sie besorgt waren. Ein Mädchen brachte eine Schale mit Wasser, und als sie getrunken hatte, war Johanna endlich in der Lage zu antworten.
    » Dem Kind geht es gut, glaube ich « , keuchte sie. » Ich bin nur schrecklich erschöpft. «
    Man half ihr auf die Beine. Johanna stolperte einige Schritte weiter und sah sich ängstlich um.
    Dort, wo sie eben noch gesessen hatte, war nichts zu sehen. Kein Blut, wie damals.
    Grenzenlos erleichtert umarmte sie Hariata.

    Johanna stand mit ihrer Begleiterin auf einer Plattform und sah über die Palisaden hinab ins Tal.
    Der Blick vom Fort aus war beeindruckend. Der Nebel war verschwunden, die Luft klar. Sie folgte mit ihrem Blick dem Verlauf des Tals. Es schien unberührt. Wie ein irdisches Abbild des Paradieses. Üppig und grün, die Kronen der Eisenholzbäume übersät mit einem purpurnen Blütenmeer. Silberfarn, diese seltsamen Pflanzen, die sich scheinbar nicht entscheiden konnten, ob sie Farn oder Baum sein wollten, reckten ihre Wedel aus den Schonungen. Meterhohe Flachsstauden auf den Feldern bewegten ihre schwertförmigen Blätter.
    Hin und wieder störte ein Schuss die trügerische Idylle. Dann flogen Schwärme von Fruchttauben auf und kreisten mit klatschenden Flügeln über dem nahen Urwald. Im Blättermeer verborgen schrien aufgebrachte Papageien.
    Plötzlich brach wie aus dem Nichts ein Trupp von Männern aus dem Wald hervor und stürmte den Hang herauf. Johanna hielt erschrocken den Atem an. Doch Hariata konnte sie beruhigen.
    Es waren keine Angreifer, sondern die Krieger des Dorfs Aupikinga, zu dem das Pa gehörte. Die Männer waren auf dem Rückzug.
    Im Nu hatte sich die Nachricht verbreitet, und auf der Befestigung des Forts erschienen mehr Krieger. Kinder und Frauen gesellten sich hinzu, mit Speeren und Steinen bewaffnet. Jeder wurde gebraucht, um den Verwandten Deckung bei ihrem Rückzug zu geben.
    Obwohl Johanna wusste, dass sie nicht dort stehen sollte, blieb sie und starrte wie gebannt den Hang hinab.
    Als die ersten Kugeln zischten und sich dumpf in die Palisade bohrten, ging sie hinter der hohen Befestigung in Deckung und blickte durch den schmalen Schlitz zwischen zwei Baumstämmen hindurch. Lieber wollte sie dem Tod ins Auge sehen, statt sich irgendwo zu verstecken und ihn dort zu erwarten. Eiskalt durchdrang sie die Erkenntnis, dass man sie erschlagen würde, sollte die Festung fallen. Trotz der Hitze fror sie erbärmlich. Doch eine Kälte, die von innen

Weitere Kostenlose Bücher