Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Johanna und Hariata wie geplant begleiten würde, musste Abigail hoch und heilig versprechen, auf die Freundin aufzupassen.
Sie nahmen nicht die übliche Handelsroute. Johanna wollte nicht riskieren, dass Thomas ihnen einfach folgen konnte, falls er Lunte roch oder Ben sie am Ende doch verpfiff, wenn Thomas ihn genügend einschüchterte.
Tamati gab bei dieser Reise die Richtung an. Seine Fähigkeiten als Tätowierer waren gefragter denn je, und es gab viele vornehme Familien von weither, die sich ihre Moko von ihm stechen lassen wollten.
Während Tamati die Tage und manchmal auch die Nächte in eigens für diesen Zweck errichteten Zeremonialhütten verbrachte, erhandelte Johanna mit Hariatas Hilfe Schnitzereien und anderes Kunsthandwerk.
Oft waren außergewöhnliche Stücke darunter, und sie bedauerte, nur eine sehr begrenzte Größe einkaufen zu können. Sie in der Mitte durchzusägen, wie Johanna es aus manchen Londoner Sammlungen kannte, brachte sie nicht über sich.
Die Maori empfingen sie überall freundlich. In dieser Ecke Manawatu -Whanganuis hatte kaum jemand von Thomas Waters gehört, und wenn, dann brachten sie Johanna nicht mit ihm in Verbindung.
Im ersten Dorf war es einfach so geschehen. Sie hatte sich als Johanna Chester vorgestellt und wollte es fortan so halten.
Der vierte Stopp auf ihrer Reise führte sie in ein weites, liebliches Tal mit einer lang gestreckten Siedlung, nur noch wenige Tagesritte von der Küste und dem Hafen Petre entfernt. Einzelne Gehöfte sprenkelten die Landschaft, dazwischen lagen Felder, Weiden und kleine Waldstücke. Dennoch sahen sie erstaunlich wenige Menschen. Es war ein trügerisches Idyll. Schließlich erzählte Tamati, dass er ein Gerücht gehört hatte, wonach Taumaihi, der Häuptling des Ortes, eine Fehde mit einem anderen Familienclan austrug, die immer wieder in kleine Gefechte ausartete. Soweit Johanna wusste, befand sich fast jeder Maori-Clan mit irgendeinem anderen im Krieg. Es schien ihr, als brauchten die Männer einen Anlass, um ihre Tapferkeit unter Beweis zu stellen. Diese Fehden schienen teils über Jahrhunderte zu bestehen, die Geschichten der Kämpfe wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Johanna kannte Dutzende dieser Legenden aus Hariatas Erzählungen und maß dieser Fehde daher keine besondere Bedeutung bei. Fremde wurden eigentlich nie mit hineingezogen, und sie fühlte sich sicher.
Am Ende des Tals lag die Hauptsiedlung Aupikinga mit Versammlungsplatz, Ahnenhaus und Friedhof. Johanna und Hariata kamen im Gästehaus der Häuptlingsfamilie unter.
Der Sohn des mächtigen Taumaihi wollte von Tamati tätowiert werden, und so wurde nicht nur dem tahuanga ta moko besonderer Respekt entgegengebracht, sondern auch seinen beiden Begleiterinnen.
Johanna erinnerte sich daran, was Hariata ihr einst über die Macht des Schenkens und das Taonga, das in den Gaben wohnte, erzählt hatte. Daher beschenkte sie ihre Gastgeber mit einem nagelneuen goldglänzenden Kupferkessel, in den sie eine Sichel, Axtblätter und Fischhaken hineingelegt hatte. Wenn es ihr gelingen würde, den Maori-Herrscher für sich zu gewinnen, dann hätte sie in dieser Region den besten Handelspartner, den sie sich wünschen konnte.
Häuptling Taumaihi war ein eindrucksvoller Mann und massig wie ein Bär. Sein Name bedeutete Turm. Viele Geschichten rankten sich darum, wie er ihn bei einem Kampf in einem Pa, einer Maori-Festung, erhalten hatte. Trotz seiner Furcht einflößenden Gestalt wirkte er freundlich. Er lachte viel, und nachdem er Johanna erzählt hatte, dass er keine Weißen mochte, für sie aber eine Ausnahme machte, war auch sie beruhigt.
Taumaihi sprach, da er als Kind eine Missionsschule besucht hatte, recht gut Englisch. Jedes Mal, wenn er sie anderen vorstellte, nannte er sie seine Pakeha und sicherte sich so im Stamm als Erster das Recht, mit ihr Handel zu treiben.
Und so besaß der stolze Krieger schon am gleichen Abend drei neue Gewehre und Johanna einen ganzen Korb gefüllt mit Hei-Tiki, kleinen Schnitzereien aus Jade und Knochen, die schönsten, die ihr je untergekommen waren.
Am Abend schlief Johanna schnell ein. Trotz des anstrengenden Tages wälzte sie sich herum, träumte abwechselnd von Liam und Thomas und davon, das Kind zu verlieren. Sie wurde immer wieder wach und wartete dann bangen Herzens, bis sie wieder eine Regung des Ungeborenen spürte. Gegen Morgen fand sie schließlich tiefe, traumlose Ruhe.
Sie erwachte nur zögernd, als sie unsanft
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