Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
zukünftigen Ehefrau dabei zu, wie sie an ihrer Frisierkommode Puder auftrug und die Lippen rötete.
Marina war schön, eine treue Freundin und sicherlich eine wunderbare Gefährtin. Sie mochte ihn, und auch er brachte ihr warme Gefühle entgegen. Warum sollte das nicht reichen, um glücklich zu sein?
Auf dem Weg ins Erdgeschoss hielt er ihre Hand. Sie blieb immer wieder stehen, um ihn dankbar anzusehen, als würde jeder Blick ihren Pakt ein weiteres Mal besiegeln. Eine gemeinsame Zukunft in Freundschaft.
Liam wartete im Salon, während Marina ihre Eltern holen ließ. Ihr Bruder Adam tat Dienst in der Kaserne und würde die Neuigkeit später erfahren.
» Wir möchten nun endlich unsere Hochzeit planen « , eröffnete Liam das Gespräch und sah sofort, wie erleichtert Marinas Eltern waren.
» Mit Verlaub, das wird auch Zeit « , brummte Lord Andrew Bellinghouse mit seinem eindrucksvollen Bass. Er klopfte Liam auf die Schulter. » Ich dachte schon, du lässt uns im Stich, mein Sohn. «
» Es gab Dinge in meiner Vergangenheit, mit denen ich erst abschließen musste. «
» Und das ist jetzt geschehen? «
» Ja. Ich bin wirklich dankbar für Ihre Geduld, und besonders auch Marina, ich habe ihr wirklich sehr viel abverlangt. «
Er lächelte seine Verlobte an, und sie lächelte verschwörerisch zurück.
Diese Heirat zu planen war das genaue Gegenteil von dem, was Liam hatte tun wollen. Dennoch kam es ihm nicht vor wie eine Farce. Eher als fiele eine Tür hinter seinem alten Leben zu, während sich eine andere in eine überraschende Zukunft öffnete.
» Wie wäre es mit dem ersten Sonntag im März. Dann ist es nicht mehr ganz so heiß. Wir feiern im Gartenpavillon « , schlug Lady Caroline Bellinghouse vor. Liam sah Marina erbleichen. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Hastig trat er zu ihr, um sie aus der peinlichen Situation zu retten.
» Nein, so lange wollen wir nicht mehr warten. Die Hochzeit muss so schnell wie möglich stattfinden. «
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Marinas Eltern starrten sie beide mit entrüstetem Blick an. Ihre Tochter errötete beschämt und senkte den Kopf.
Liam nahm seinen Mut zusammen.
» Bevor ich zum Einsatz am Lake Tarapunga aufbrach… «
» Liam, nicht. « Marina drückte erschrocken seine Hand, doch er war entschlossen, von vorneherein die Verantwortung zu übernehmen, um bösen Gerüchten erst gar keine Chance zu geben.
» Es tut mir schrecklich leid. Die Schuld liegt ganz bei mir. «
Marinas Vater nickte grimmig und ging hastig im Zimmer auf und ab, während sich in Lady Bellinghouse’ Gesicht reine Freude abzeichnete.
» Ich werde Großmutter? « , flüsterte sie. Als Marina unter Tränen nickte, fügte sie noch leiser hinzu. » Dein Bruder Adam kam auch einen Monat zu früh zur Welt. «
» In drei Wochen also! « , verkündete der Hausherr schließlich. » Schneller geht es beim besten Willen nicht. Marina, sorge dafür, dass keiner etwas merkt! Und jetzt brauche ich einen Drink. Liam, was ist mit dir? «
Liam nickte nur. Einen Drink konnte er jetzt gut gebrauchen.
Im Tal des Windes
D ie Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel herab. Es war sommerlich warm, doch keineswegs schwül wie in den engen Tälern ringsum, wo sich die Luft staute. Kleine Wellen verloren sich im Schilf und schlugen leise plätschernd gegen den Rumpf des schwer beladenen Bootes. Der Kiel lag tief. Es war ein merkwürdiges Gefährt.
Der Besitzer Terry nannte es ein pakeha waka ama, ein Auslegerkanu für Weiße. Seine beiden Maori-Freunde, die gemeinsam mit ihm den Handel entlang der Wasserstraße organisierten, hatten nur Spott für sein Gefährt übrig. Es war ein kleines europäisches Frachtboot, das mit einem Ausleger stabilisiert wurde, wie es auch die Maori mitunter bei ihren ungleich eleganten Kanus einsetzten.
Johanna stand mit einem kleinen Block und einem Stift am Ufer und beaufsichtigte die beiden Maori, die Säcke und Kisten an Land brachten und auf der Wiese vor dem Haus abluden.
Thomas hatte den heutigen Tag gewählt, um auf seinen Ländereien, die ihm geblieben waren, nach dem Rechten zu sehen, und hatte somit keine Gelegenheit, sich in ihre Geschäfte einzumischen. Nur zwei der Arbeiter, die er angestellt hatte, waren in der Nähe und beobachteten sie.
Außer Hariata und den Pferdeknecht Ben duldete Thomas auch weiterhin keinen Maori in seinem Haus. Die übrigen Stellen hatte er wieder mit zwielichtigen Gestalten besetzt. Mit ehemaligen
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