Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Papageienschnäbeln, und auch die kostbaren Jadewaffen ließen keinen Zweifel an der Wichtigkeit dieses Treffens.
Muschelhörner dröhnten, und dann blieb Johanna beinahe der Atem stehen. Krieger, die sie gestern noch angegriffen hatten, schritten nun unbehelligt durch das offene Tor in die schutzlos daliegende Festung.
War der Kampf verloren? Gaben sie auf?
» Das ist Te Maamku, die Menschen singen Lieder über seine Heldentaten « , raunte ihr Tamati ehrfürchtig zu und richtete seinen Blick auf einen Mann mit kurzen, grauen Haaren und einem gepflegten Bart. Sein Umhang war lang, beinahe schneeweiß und mit hauchfeinen schwarzen Fransen verziert. Sein linkes Ohrläppchen wurde von einem schweren Jadeanhänger herabgezogen. Er trug einen Speer mit einer langen Spitze aus Elfenbein und schritt mit großer Würde auf seinen Opponenten zu.
Taumaihi begrüßte den legendären Krieger und Häuptling mit großer Ehrfurcht und lud ihn mit einer Geste in sein Haus ein.
Die anderen blieben, wo sie waren, und warteten ab. Johanna versuchte, sich zu erinnern, was sie über Te Maamku gehört hatte. Gemeinsam mit Häuptling Rauparaha war er ein Jahr zuvor einer der führenden Eingeborenen im Kampf gegen weiße Siedler gewesen. Liam war gegen seine Krieger während der Hutt Valley Campaign ins Feld gezogen, und angeblich waren es auch seine verstreuten Truppen gewesen, die im Tal des Windes gewütet hatten.
Eine Zeit lang geschah nichts, während das Licht an Stärke gewann und die Schatten im Pa kürzer wurden. Irgendwann hielt Johanna es nicht mehr aus.
» Was geschieht jetzt? « , erkundigte sie sich flüsternd bei Hariata, die nur gebannt auf das Blockhaus starrte, in dem die Häuptlinge verschwunden waren.
» Ich glaube, sie schließen Frieden « , gab sie zurück. » Die Fehde zwischen den Familien besteht zwar schon seit langer Zeit, aber sie ist nicht so schwerwiegend, als dass sie auf ewig weitergeführt werden muss. Gestern sind auf beiden Seiten gleich viele Krieger gefallen. Damit ist es ausgeglichen. Vielleicht kann Te Maamku vermitteln, scheinbar hat er eigene Pläne und sucht dafür Unterstützer. «
In dem Moment wurde die Tür aufgestoßen. Ein Krieger wies mit dem Speer auf Johanna und rief Tamatis Namen.
Dieser verbeugte sich knapp und fasste Johanna freundlich, aber bestimmt am Arm.
» Sie wollen mit Ihnen reden, ich werde übersetzen « , erklärte er leise.
» Mit mir? Aber… «
» Scht, ich weiß selbst nicht, warum. Sprechen Sie nur, wenn die Häuptlinge das Wort an Sie richten « , wies er sie an, dann waren sie auch schon in der Hütte.
Es herrschte schummriges Halbdunkel, das von flackernden Tranlampen erhellt wurde. Sie blinzelte, bis sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Sie setzte sich mit Tamati zu den Häuptlingen auf den Boden. Ein exotischer Kräutergeruch reizte Johannas Sinne.
Te Maamku musterte sie aus kleinen listigen Augen, die Johanna an ein flinkes Tier, ein Wiesel, denken ließen.
Die Stimmung war gespenstisch. Die Männer schwiegen und aßen von einem gemeinsamen Teller gegartes Schweinefleisch und Süßkartoffeln. Mit einer Geste wurde ihr zu verstehen gegeben, sich zu bedienen, und Johanna wagte nicht, das Angebot abzulehnen.
Gedanken rasten durch ihren Kopf. Was wollten die Häuptlinge von ihr? Hatte sie sich etwas zuschulden kommen lassen?
Tamati hockte schweigend neben ihr und schien beinahe ebenso angespannt. Schließlich betrat jemand die Hütte durch eine Seitentür, und dann wurde Johanna plötzlich alles klar.
Eine Kiste mit Gewehren und Äxten wurde neben ihr abgestellt, ihre Handelsgüter! Taumaihi reichte Te Maamku ein Gewehr, der es kurz prüfend in der Hand drehte, dann nickte er.
Taumaihi erklärte auf Maori, warum er Johanna herbestellt hatte, und Tamati übersetzte. Er hatte mit Te Maamku und dem verfeindeten Häuptling Frieden geschlossen, aber nur, um gemeinsam gegen Siedler und den Landraub durch die New Zealand Company vorzugehen. Die vereinten Clans brauchten mehr Waffen, die Johanna wie eine Fügung des Schicksals zu ihnen gebracht hatte. Beide Häuptlinge versprachen Johanna in naher Zukunft, alle Gewehre und Äxte mit Schnitzereien und anderen Kunstwerken zu bezahlen.
Te Maamku nahm seine Kette aus Papageienschnäbeln ab und reichte sie an Johanna weiter. Ein Zeichen, dass er sein Versprechen halten werde, flüsterte Tamati schnell.
Johanna drehte die Kette fassungslos in der Hand.
» Und was ist mit mir?
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