Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
die Siedler wohl bei ihrer Flucht zurückgelassen hatten, doch Menschen waren keine umgekommen.
Unter erhöhter Wachsamkeit zogen die Einheiten aus New Plymouth weiter Richtung Petre.
Der Ort an der Mündung des Whanganui River hatte sich verändert. Man merkte, dass die Siedler um ihr Leben fürchteten. Vertriebene Farmersfamilien kampierten in ihren Planwagen mitten auf dem Dorfplatz, und die nahe liegenden Weiden waren überfüllt mit Vieh, das die Flüchtlinge von ihren Ländereien hergetrieben hatten. Im Hafen lag ein Kanonenboot vor Anker.
Wie die Soldaten hatte auch Liam schon von dem umgerüsteten Segler gehört, der gegen die Aufständischen zum Einsatz kommen sollte. Als sie das Schiff nun mit eigenen Augen sahen, brachen sie in Jubelrufe aus, die von der Besatzung mit einem Hornstoß beantwortet wurde.
Auch die Bevölkerung freute sich über ihre Ankunft.
Liam ritt mit seinem Freund und Schwager Adam Bellinghouse an der Spitze des Zuges und machte seiner Sorge mit einem Seufzer Luft.
» Ich hoffe, sie haben für uns bei der Lagebesprechung ein paar gute Informationen parat. «
Adam nickte.
» Und keine Hitzköpfe im Offiziersstab. «
» Mir würde es schon reichen, wenn sie wissen würden, wie man Krieg gegen die Stämme führt. «
Unwillkürlich schlich sich ein Schmunzeln in sein Gesicht. Mittlerweile wusste er, warum die frischgebackenen Offiziere, die mit den Schiffen aus dem Mutterland kamen, so ungern gesehen waren. Vor knapp zwei Jahren war er selber einer gewesen. » Mein Gott, ich klinge schon wie der Major, damals. «
Adam grinste breit, dann lachten sie beide laut los, und die Spannung, die sich zuvor unbemerkt eingeschlichen hatte, schwand.
Ein Pa nahe Petre
S ie hatten sich wieder in einem Fort verschanzt, und Johanna keine andere Wahl gehabt, als bei Taumaihi und Te Maamku zu bleiben.
Für eine Geisel, die sie zweifellos war, genoss sie relativ viel Freiheit, doch man hatte ihr klargemacht, dass sich ihre Situation ganz schnell ändern würde, sollte sie nicht kooperieren. Zwei Wochen war sie nun schon in den Händen der Maori.
Dem Kind zuliebe fügte sie sich. Im Moment sah es so aus, als würden die Maori siegen, und auf der Seite der Sieger war es eindeutig sicherer.
Von den Kämpfen auf dem Weg hinab nach Petre hatte sie nur wenig mitbekommen. Sie gehörte zu dem Tross aus Frauen und Helfern und sah allenfalls Feuer aus der Ferne oder kampierte auf Höfen, deren Bewohner vor den Auseinandersetzungen geflohen waren. Tote entdeckte sie keine.
Nun waren sie am Ziel angekommen. Petre lag ostwärts nur eine Wegstunde entfernt. Die Festung, in der sich die Krieger aufhielten, galt als uneinnehmbar. Daran konnten angeblich auch die britischen Soldaten nichts ändern, die in diesem Moment am Fuß des Hügels in Stellung gingen.
Schon am Vortag waren immer wieder kleinere Dragonereinheiten aufgetaucht und schnell wieder davongeritten, sobald die Maori sie unter Feuer nahmen. Nun herrschte die Ruhe vor dem Sturm, und Johannas Angst hatte einer Art stumpfer Erwartungshaltung Platz gemacht. Draußen brüllten die britischen Offiziere Befehle, und ihr blieb nichts anderes als zu beten.
Den Ausgang der Schlacht würden andere bestimmen. Mit einem lauten Donnerhall wurde das erste Geschütz abgefeuert. Ein Dröhnen brachte ihren Körper zum Vibrieren, sodass das Kind um sich trat.
Mit diesem einen Knall war die Angst zurück. Johanna strich sich über den Bauch und eilte auf die Hütte im sicheren Bereich des Pa zu, wo sie ausharren würde, bis alles vorbei war. Hariata und Tamati waren dort. Tamati hatte geschworen, die beiden Frauen zu schützen, statt sich den Kämpfen anzuschließen, was ihm zweifellos lieber gewesen wäre. Er hatte es nie ausgesprochen, doch Johanna fürchtete wie er, dass sie ganz plötzlich zum Pfand in dieser Auseinandersetzung werden konnte. Tamati würde das verhindern.
Draußen brüllten die Maori den königlichen Truppen eine Herausforderung entgegen, und die Schlacht begann.
Liam strauchelte über das Schlachtfeld. Cassio trottete hinter ihm her, durch zerwühlten Schlamm und Blut, von einem Toten zum nächsten.
Wo war Adam?
Liam drehte jeden um, der eine Dragoneruniform trug. Beißender Qualm erschwerte die Sicht. Nebel der heraufziehenden Nacht kroch aus den Wäldern und Wiesen und hüllte Lebende und Tote in ein graues, nasses Leichentuch.
Liam fühlte sich wieder nach London versetzt, zurück am stinkenden Themseufer der Battersea Fields, auf
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