Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Kann ich gehen? «
» Nein! « , antworteten beide Häuptlinge wie aus einem Mund. Tamati erhob sich und half Johanna auf. Sie verabschiedete sich knapp von den Männern.
Als sie wieder draußen waren, erklärte Tamati Hariata und Johanna ihre Situation. Die Kriegsverbände würden den Whanganui hinab nach Petre ziehen, um dort den Siedlern und Soldaten entgegenzutreten.
» Was Ihr Ehemann im Tal des Windes verbrochen hat, ist bei den Siedlern auf der Nordinsel keine Seltenheit. Te Mamaku vereint die Stämme. Er will den illegalen Landraub beenden und die Pakeha von unserem Land vertreiben. Sie sind eine Geisel, Johanna. Aber ich glaube, das ist im Moment besser, als in Petre zu sein. Sie werden Jagd auf alle Pakeha machen, und im Ort gibt es nur zweihundert von euch, aber dafür in den Wäldern Tausende von uns. «
Johanna schluckte, und ein hartnäckiges Zittern hatte ihre Hände befallen. Es würde einen Krieg gegen die weißen Farmer geben, und kein anderer als sie selbst hatte den Mördern die Waffen dazu geliefert!
Im Tal des Windes
S chlussendlich hatte der Stallbursche Ben doch geredet. Wenngleich es mehr als nur eine Tracht Prügel brauchte, bis er Thomas endlich die Wahrheit verriet. Johanna, seine geliebte Frau, war geflohen!
Es waren Kleinigkeiten, die ihm nach seiner Heimkehr die ersten Hinweise geliefert hatten. Dinge fehlten, die auf einer normalen Handelsreise nicht von Nutzen sein konnten und die Johanna nie im Leben gegen Schnitzereien eingetauscht hätte. So zum Beispiel die Reiterfigur aus Meissener Porzellan, die aus dem Salon verschwunden war. Eine kleine Radierung aus ihrem Zimmer und die Schachtel, in der sie ihre Briefe aufbewahrte.
Dann hatte Thomas begonnen, systematisch nach weiteren Hinweisen zu suchen. Wie ein Besessener hatte er das Haus durchforstet. Sonntagskleider fehlten, der Schmuck und ihre Lieblingsbücher.
Oh, wie lange mochte sie das geplant haben!
Thomas hatte sich zuerst die Hausangestellte vorgenommen, dann den Stallburschen.
Zwei Tage darauf besaß er endlich die Information, die er brauchte. Ben würde wohl nie wieder ohne zu hinken laufen können, doch der störrische Junge war selber schuld.
Thomas hatte die Obhut über sein Haus und den Wiederaufbau der Fabrik seinem neuen Vorarbeiter übertragen und war mit zwei Männern aufgebrochen. Die verdammten Eingeborenen in Urupuia waren verstockt gewesen, als hätte Johanna sie bestochen.
Was Thomas wirklich ärgerte, war, dass jeder über ihre Flucht Bescheid zu wissen schien. Jeder außer ihm.
Abigail, die irische Schlampe, lachte ihm offen ins Gesicht und höhnte, dass er Johanna nie finden würde. Er hätte das Weib am liebsten erschlagen, wenn nicht so viele Zeugen anwesend gewesen wären.
Schließlich erriet er den nächsten Halt von Johannas Reise, und von da an wurde es einfacher. Für die Maori der anderen Dörfer war sie nur eine Händlerin auf der Durchreise gewesen,die sie für einen kleinen Obolus schnell verrieten. Da Johanna an jedem Ort einige Tage blieb, schwand der Abstand zwischen ihnen schnell. Bald schon war er ihr dicht auf den Fersen.
Johanna war, abgesehen von einigen kleineren Abstechern, dem Verlauf des Whanganui gefolgt, und bald war sich Thomas sicher: Sie wollte nach Petre.
Von dort aus wäre es einfach für sie, ein Schiff zu besteigen und nach Wellington, New Plymouth oder Auckland zu fahren. Von den großen Häfen legten beständig Segler mit Ziel Europa ab. Was geschah, wenn sie es tatsächlich schaffte, wollte er sich nicht ausmalen. War ihr denn nicht klar, wie sehr er sie liebte?
Doch Gott schützte keine Frauen, die ihren Ehemann nicht respektierten, und hatte seine Gebete erhört. Johanna hatte ihr Ziel nicht erreicht.
Einige Tagesritte von Petre entfernt stießen Thomas und seine Männer auf brennende Farmen und aufgebrachte Siedler, die sich mit allem bewaffneten, dessen sie habhaft werden konnten. Sie bereiteten sich auf einen großen Angriff mehrerer Maori-Verbände unter der Führung Te Maamkus vor.
Ein Gerücht besagte, dass bei den kriegerischen Maori eine weiße Frau gesehen worden war. Sie zog mit ihnen mit und ritt einen großen Shire-Wallach. Die Beschreibung passte. Das musste Johanna sein.
Thomas’ Zorn schlug in Angst um, und seine Entscheidung war schnell gefallen. Er schloss sich der Siedlermiliz an. Die Maori hatten eine Festung am Oberlauf des Whanganui aufgegeben und waren, durch weitere Verbände verstärkt, flussabwärts nach Petre gezogen.
Die
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