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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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Dampfmaschinen keuchen und stampfen.
    Es war Abend geworden, und die Arbeiter verließen die Fabrik im fahlen Schein der Gaslaternen. Braune Blätter trieben über die gepflasterte Straße. Dies war nicht der erste Tag, an dem er seinen Widersacher beobachtete, doch es würde hoffentlich der letzte sein. Die Pistole, die sich unter seiner einfachen braunen Jacke verbarg, fühlte sich gut an. Diesmal würden sie nach Liams Regeln spielen.
    Sobald alles ruhig war, wagte sich Liam aus der Gasse heraus. Vor den Toren patrouillierte die Werkswacht. Liam nutzte die Gelegenheit, als die beiden Wachleute kurz in den Windschatten des Gebäudes traten, um sich Zigaretten anzuzünden, und huschte auf das Fabrikgelände.
    Waters nahm nur selten den Haupteingang, sondern betrat die Fabrik über eine schmale Treppe auf der linken Seite, wo die Büros des Direktors und der Werksleitung mit den großen Bleiglasfenstern lagen. Liam nahm den gleichen Weg und hatte Glück. Die Tür war nicht abgeschlossen, der Gang dahinter menschenleer. Gaslampen zischten leise. An den Wänden hingen gerahmte Blaupausen und ein düsteres Ölgemälde vom Eröffnungstag der Fabrik. Liam zog die Tür hinter sich zu und schlich weiter.
    Der Pistolengriff in seiner Hand war ganz warm geworden, vertraut wie ein Teil seines Körpers.
    Er passierte zwei geschlossene Holztüren, dann stand er plötzlich vor Thomas Waters’ Büro. » Direktor « stand in Goldschrift auf dem Facettenglas. Im Raum war Licht, doch durch das milchige Glas konnte er nur Schemen erkennen. Liam lauschte. Papier raschelte, als blättere jemand durch Unterlagen, aus der Werkshalle klang das Rattern der Maschinen. Ein metallischer Geruch nach Eisen, Schmiere und Kohlenstaub lag in der Luft.
    Waters war allein, er könnte jetzt einfach hineingehen und seinem Leben ein Ende setzen. Und doch, da war ein merkwürdiges Gefühl. Etwas stimmte nicht. Wurde er beobachtet? Er sah sich hektisch um. Der Flur war leer, und doch blieb der Eindruck, als würde jemand sein Handeln mit stechendem Blick verfolgen. Was, wenn er in eine Falle lief? Doch dafür war es jetzt zu spät. Mahnend schob sich wieder das Bild seines toten Bruders vor sein inneres Auge. Mit neu erwachtem Zorn, öffnete er die Tür.
    Thomas Waters saß an seinem Schreibtisch und sah auf. Er machte keinen überraschten Eindruck, und die Pistole in Liams Hand schien ihn nicht zu ängstigen.
    » Fitzgerald, nett, dass Sie gekommen sind « , sagte er höhnisch. An seiner Hand blitzte golden der Ehering. Seine Gelassenheit war irritierend.
    » Mit dem Mord an meinem Bruder lasse ich Sie nicht einfach so davonkommen. « Liam zielte auf das Herz seines Widersachers, als dessen Blick plötzlich zur Seite ging. Es war eine Falle!
    Jemand stand hinter der Tür.
    Liam drückte ab, doch es war zu spät. Die Tür krachte gegen seine Schulter, Glas zersprang klirrend, und der Schuss bohrte sich neben Waters’ Kopf in die Wand. Im gleichen Moment stürmten Männer aus dem Nachbarraum. Liam wehrte den ersten Angriff ab, doch die Männer der Werkswacht hatten Knüppel. Die Pistole wurde ihm aus der Hand geschlagen, und ein stechender Schmerz schoss bis in seine Schulter. Liam verpasste jemandem einen Tritt zwischen die Beine, dann schaffte er nicht mehr, alle Schläge abzuwehren, und ging selbst zu Boden. Die Schläge kamen von allen Seiten, trafen den Bauch, die Nieren und seinen Kopf. Ein Schlag vor die Stirn brachte klirrenden Schmerz und Dunkelheit. Er wurde ohnmächtig.
    Als Liam wieder erwachte, hatte man ihm die Hände mit Seilen auf den Rücken gefesselt. Soweit es seine zugeschwollenen Augen ermöglichten, sah er sich um. Er lag nicht mehr in Waters Büro. Man hatte ihn weggebracht. Der Boden war aus Backsteinfliesen, es roch nach Feuer, Kohlenstaub und entfernt nach Wolle. Maschinen ratterten in der Nähe, Dampf zischte beständig. Die Maschinenhalle. Warum brachten sie ihn in die Maschinenhalle? Stöhnend wälzte sich Liam herum. Der Boden war nass von seinem Blut, das aus einer Platzwunde an seiner Braue und seiner Lippe lief.
    Dort war Waters. Er sprach mit zwei Polizisten.
    Liam hörte ein Wort: » Sabotage. «
    Ein Mann der Werkswacht leerte eine Tasche aus. Eine Metallstange und eine Schwarzpulverflasche fielen heraus.
    Liams Zorn verwandelte sich in Panik. Thomas Waters musste frühzeitig bemerkt haben, dass er ihn beobachtete. Schon vor Tagen. In aller Ruhe hatte er ihm eine Falle gestellt, aus der Liam nicht mehr entkommen

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