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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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ruhig.
    Wie Johanna wohl auf seinen Brief reagiert hatte? War sie traurig gewesen oder froh, noch ein wenig länger bei ihren Eltern und Freunden verweilen zu können?
    Thomas ließ den Blick über den Tarapunga schweifen. Heute war einer der wenigen Tage, an denen keine einzige Wolke am Himmel hing. Der Berg, dessen Name er sich nicht merken konnte, spiegelte sich im See, ebenso wie die schier endlosen Urwälder und wenigen Wiesen.
    Ein Trupp von Männern, die er im Hafen von Wellington angeworben hatte, schleppten Kies und Steine heran und bereiteten so den Grund vor, auf dem er seine neue Fabrik errichten wollte.
    Neuseeland war jung. Jeden Tag erreichten neue Siedler das Land. Kleine Häfen wuchsen binnen Monaten zu Dörfern, die bald schon Städte sein würden. Und was brauchte man nötiger zum Städtebau als Holz? Thomas war sich sicher, seine Idee würde ihn reich machen.
    Die Wälder hatten einen guten Baumbestand, Südbuchen, man musste sie nur fällen und zu seinem Sägewerk schaffen. Über die vielen Gewässer konnten sie dann direkt bis zu den Siedlern und sogar bis zur Küste gebracht werden.
    Auf den gerodeten Flächen wollte er Pächter ansiedeln, und ehe zehn Jahre vergangen waren, würde er Herr über weite Ländereien sein, wie die Chesters oder die Fitzgeralds. Er würde mit seiner Johanna in einem Palast wohnen, von dem diese blaublütigen Hungerleider nur träumen konnten.
    Ja, die Zukunft gehörte Männern wie Thomas. In den Kolonien bekamen sie ihre Chance. Dort gab es keine alteingesessenen Familien, die ihm Steine in den Weg legten. Allenfalls schwachsinnige Wilde, die Grimassen zogen und Keulen schwangen, doch vor denen hatte Thomas keine Angst. Sie stellten nur ein kleines Problem dar, welches sich schnell mit ein paar Kugeln lösen ließ. Keiner seiner Männer würde den Gang mit der Waffe ablehnen.
    Sie waren vielleicht skrupellos, aber auch loyal bis in den Tod. Ob sie sich hin und wieder einmal an einem eingeborenen Mädchen vergriffen oder einen der Wilden irgendwo verscharrten, war ihm gleich. Es war gut, wenn die Maori ihn fürchteten, dann kamen sie wenigstens nicht auf die Idee, ihn anzugreifen, wie es zurzeit überall geschah. Reisende waren nicht mehr sicher, weder zu Wasser und erst recht nicht auf dem Landweg, den Johanna hätte nehmen müssen.
    Nein, es war gut, sie in England zu wissen, sehr gut.
    Thomas sah noch ein letztes Mal auf das kleine Porträt, dann steckte er die Uhr zurück in die Jackentasche und trieb sein Pferd an. Heute sollte die Dampfmaschine geliefert werden, ein weiterer großer Schritt, und er würde persönlich darüber wachen, dass der Maschinist jedes Teil richtig einsetzte.
    An Bord der VJL Lionheart
    E ndlich war es so weit. Schon früh am Morgen läuteten die Schiffsglocken zum ersten Mal.
    Johanna hatte hastig ihr Frühstück eingenommen, und seitdem stand sie mit den anderen Passagieren an Deck und starrte dorthin, wo langsam eine Landmasse aus dem Azurblau des Meeres auftauchte. Der Himmel war fast klar, nur hier und datrieben ein paar kleine Dunstfetzen. Zuerst hatte es wie ein Schatten unter einer lang gestreckten Wolke ausgesehen.
    Dass sie sich dem Land näherten, war Johanna bereits vor einer ganzen Weile aufgefallen. Der Geruch der Luft hatte sich allmählich geändert, und es mischten sich neue Nuancen mit hinein.
    Möwen waren aufgetaucht, erst vereinzelt, dann folgten ganze Schwärme dem Schiff. Sie ließen sich mit Essensresten füttern und schienen aus reiner Lebenslust die abenteuerlichsten Flugmanöver auszuführen.
    Seit zwei Stunden schaukelte das Schiff nun schon sacht, geradezu gelassen, seinem Ziel entgegen, als wollte es die Fahrt auf offener See noch eine Weile genießen.
    Johanna hatte ein flaues Gefühl im Magen.
    Der Anblick der sanften Hügelkette besiegelte ihr Schicksal. Ihr neues Leben in einem fremden Land mit einem Mann, den sie nicht liebte, war nur noch einen halben Tag entfernt. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die unwirkliche Reise war ein Teil der Realität geworden.
    Ob Thomas sich wohl freuen würde, sie zu sehen? Die Hochzeit vor einem Jahr schien eine Ewigkeit zurückzuliegen. Würde es ihr gelingen, ihn zu begrüßen, wie es sich für eine gute Ehefrau geziemte?
    Sie versuchte, sich vorzustellen, wie er dort am Kai stand und ihr freudig entgegensah, doch es wollte ihr nicht gelingen. Immer aufs Neue veränderte sich sein Gesicht, die Schultern wurden breiter, die Gestalt schlanker. Es war Liam, der sich in

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