Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Muscheln in die Schnitzereien ein. Sieht unheimlich aus, nicht wahr? «
Johanna nickte.
» Kommen Sie erst einmal rein, Ma’am. Wenn diese Dinger es Ihnen angetan haben, werden Sie drinnen noch viel mehr zu bestaunen haben. «
Bald saß Johanna mit Abigail im gemütlichen Speiseraum des Gasthofs an einem kleinen Tisch und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Es war genau, wie die Wirtin gesagt hatte. Der Raum war vollgestopft mit Schnitzereien und Masken, die wie Geister von den hell gestrichenen Wänden herabschauten. Die vielen unheimlichen Holzgesichter schienen nur sie und Abigail, die Neuankömmlinge, anzustarren.
Abigail hatte sich ihr Schultertuch eng um den Körper geschlungen, als friere sie trotz des Feuers, das gemütlich im Kamin prasselte. Sie sah sich immer wieder unsicher nach den Masken um, als könnten sie jeden Moment lebendig werden. Das hielt sie aber nicht davon ab, ihr Essen in Rekordzeit in sich hineinzulöffeln.
Johanna hingegen schob die undefinierbaren Fleischstücke und zerkochten Süßkartoffeln auf ihrem Teller hin und her und war viel zu aufgewühlt, um auch nur einen Bissen herunterzubekommen.
» Meinst du, er kommt noch, Abigail? «
» Ich weiß nicht, Ma’am « , nuschelte die Irin zwischen zwei Bissen. » Ich kenne Ihren Ehemann nicht. «
» Daheim ist er nie unpünktlich gewesen. «
» Neuseeland ist nicht England. «
Johanna nickte und sah wieder zur Tür. Draußen heulte der Wind ums Haus.
Arthur war schon vor einer ganzen Weile wieder aufgebrochen, um weitere Nachforschungen über Thomas’ Verbleib anzustellen.
In dem Speiseraum saßen außer ihr und Abigail nur ein altes Paar und ein Mann, ein ungepflegter Herr Mitte vierzig, der nach dem vierten Glas Brandy immer gesprächiger wurde und laut auf die Wirtin einredete.
Johanna kam nicht umhin, zuzuhören.
» Jetzt fangen sie schon an, Siedler zu überfallen, diese verdammten Maori! « , ereiferte sich der Mann gerade. » Und wer hilft uns? Niemand! Stattdessen sollen wir unser Land sogar noch zurückgeben! «
Der Blick der Wirtin fiel auf Johanna. Sie flüsterte dem Mann etwas zu und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
Doch der Fremde wurde davon eher angestachelt, und er drehte sich auf seinem Barhocker um und wandte sich direkt an sie.
» Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Ma’am! Packen Sie Ihre Siebensachen wieder zusammen und flüchten Sie mit dem nächsten Schiff nach England! Genau das würde ich tun, wenn ich mir nur eine Fahrkarte leisen könnte. «
Johanna hielt es nicht mehr am Tisch aus, sie stand auf und trat mit klopfendem Herzen an die Theke.
» Warum sollte ich Ihren Rat befolgen, Sir? Was ist hier los? «
Sie erfuhr von dem Gerücht, dass sich in der Region Manawatu -Whanganui Überfälle der Maori auf Weiße mehrten und in seltenen Fällen sogar blutig endeten.
» Aber warum tun die Eingeborenen so etwas? «
Der Farmer zuckte mit den Schultern.
» Wer versteht die schon. «
» Es ist wegen eines Abkommens « , wusste die Wirtin zu berichten. » 1840 wurde in Waitangi ein Vertrag mit den Häuptlingen der Maori geschlossen. Sie haben durch ihre Unterschrift Neuseeland zum Teil des britischen Empires gemacht und haben im Gegenzug die britische Staatsbürgerschaft erhalten. Ein anderer Grund waren die Bodenrechte, sie stimmten zu, um dem willkürlichen Landverkauf entgegenzuwirken. Doch viele wussten gar nicht, was sie unterschrieben. Außerdem gab es in den letzten Jahren viele Kriege unter den einzelnen Iwi, so nennen sie die Stämme. Erbeutetes Land wurde oft sofort weiterverkauft, oder Häuptlinge, die verloren, verkauften Land, das nicht mehr ihnen gehörte. Deshalb gibt es jetzt auf allen Seiten Unzufriedenheit. «
» Ach, Unsinn! « , ereiferte sich der Farmer. » Sie machen doch eh nichts damit. Warum soll man nicht roden und bebauen, was sonst Urwald bleibt? Aber ist schon klar. Jetzt, nachdem wir ihre Sümpfe in wunderbares Ackerland verwandelt haben, wollen sie plötzlich alles zurück. «
» Mich schert das nicht! « Die Wirtin goss dem Mann nach und füllte sich dann selbst ein Glas. » Solange sie sich nicht die Köpfe einschlagen und mir meine Kundschaft vergraulen, sollen sie machen, was sie wollen. «
» Ich verstehe nicht, wie Sie noch so gelassen sein können « , brummte der Farmer. » In Petre gibt es gerade mal zweihundertSiedler, umringt von Tausenden dieser Menschenfresser, und die Krone schickt nicht einmal Soldaten zu unserem Schutz. «
Einen Moment
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