Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
herrschte Schweigen.
» Glauben Sie, meinem Mann ist etwas zugestoßen? « , fragte Johanna, schluckte und spürte die Enge in ihrer Kehle.
» Wo liegt die Farm Ihres Mannes, Ma’am? « , fragte der Farmer nach einem tiefen Seufzer.
» An einem Nebenarm des Whanganui, an einem See namens Lake Tarapunga. «
Seine finstere Miene hellte sich ein wenig auf auf.
» Da oben ist noch alles ruhig. Die Maori dort sind friedlich, soweit man hört. Aber hier auf der Nordinsel kommen die Wilden eigentlich nie richtig zur Ruhe, liegt wohl am warmen Wetter. « Er lachte.
» Und die Südinsel? «
» Kühlt das Gemüt. Ungastlich und regnerisch, da fühlen sich allenfalls Schafe wohl. Im Norden haben Sie es schon besser getroffen. «
» Und warum kommt mein Mann dann nicht, wenn die Maori ihm nichts getan haben? «
» Es kann alles Mögliche sein, vielleicht sind die Wege unpassierbar, oder der Fluss führt zu viel Wasser. Das hier ist wildes Land, Sie sind weit entfernt von der Zivilisation. «
» Und was soll ich jetzt machen? «
» Ich würde Sie ja hinbringen, das Geld könnte ich gut gebrauchen, aber in drei Wochen beginnen die Schafe zu lammen, da muss ich zu Hause sein. « Er zuckte mit den Schultern.
Johanna begrub ihre Hoffnung und zupfte an der feinen Spitze ihres Ärmels. Ihr Reisekleid war bis zum Knie schlammbespritzt. Die Strümpfe klebten an den Knöcheln, und dabei war sie gerade einmal über den Dorfplatz gegangen.
» Wenn Sie einen Führer suchen, wüsste ich vielleicht jemanden. Aber erst einmal sollten Sie ein paar Tage warten, eine Woche oder sogar länger. Ihr Mann kommt schon noch « , schlug die Wirtin vor und sah den Fremden an, der zustimmend nickte.
» Warum denn einen Führer? Können wir die Farm meines Mannes nicht auch so finden? « , fragte Johanna ahnungslos. In ihren Augen hatte die Landschaft mit ihren hübschen grünen Wiesen und Hügeln nicht allzu unfreundlich ausgesehen. Aus dem Ort hinaus führten Wege in alle Richtungen. Solange sie nicht zu Fuß gehen musste, sollte es doch machbar sein.
Der Mann lachte schallend, und auch die Lippen der Wirtin kräuselten sich spöttisch.
» War Ihr Begleiter schon einmal in Neuseeland? «
» Nein. «
» Selbst wenn, könnten Sie die lange Strecke wohl kaum ohne einen einheimischen Führer bewältigen. Gerade jetzt, wo die Zeiten unsicherer werden. «
» Und Sie kennen einen solchen Führer? «
» In Petre sind die überall zu finden. Aber ich würde Ihnen davon abraten, sich irgendjemandem anzuvertrauen. Der Führer, den ich Ihnen empfehle, sieht vielleicht wild aus, aber er ist vertrauenswürdig. Er heißt Tamati Maunga und hat schon einige Neuankömmlinge sicher an ihr Ziel gebracht. Beschwerden sind mir noch nicht zu Ohren gekommen. «
Unterdessen war Abigail aufgestanden und zu ihnen getreten.
» Habe ich das richtig verstanden? Wir sollen unser Schicksal in die Hand eines Wilden legen? « Sie zog Johanna ein Stück zur Seite und flüsterte: » Erinnern Sie sich nicht mehr an die schrecklichen Männer in dem Boot? «
» Natürlich, Abigail, aber offenbar haben wir keine andere Wahl. «
» Doch, wir könnten auf Ihren Mann warten! «
» Sehen wir erst einmal, was Arthur herausgefunden hat. «
Die Wirtin war nicht so schnell von ihrem Vorhaben abzubringen. Soweit Johanna verstand, war eines der Zimmermädchen mit dem Führer verwandt. Nicht ohne eine gewisse Neugier, eine Eingeborene kennenzulernen, wartete sie mit Abigail an der Bar.
Der mürrische Gast hatte sich unterdessen mit den Worten verabschiedet, er wolle an diesem Abend keine Maori mehr sehen.
Abigail und Johanna blickten gleichzeitig zu einer großen Standuhr, die etwas verloren zwischen den Schnitzereien stand. Ihr Pendel schlug träge hin und her. Es war beinahe Mitternacht, doch Johanna war viel zu aufgewühlt, um an Schlaf zu denken.
Eine Tür wurde geöffnet, und Schritte erklangen im Hinterzimmer.
Die Wirtin war zurück. Sie wurde von einer jungen Frau begleitet, die ein Nachthemd und darüber einen schlichten Morgenrock trug. Er war verschlissen und viel zu weit, offenbar trug sie die Kleidung ihrer Herrin auf. Sie konnte das Gähnen nicht unterdrücken und lächelte geniert.
» Das ist Miri « , wurde sie von der Wirtin vorgestellt.
Johanna gab sich Mühe, nicht zu starren.
Die junge Maori war hübsch. Ihr Haar floss wie ein dicker, dunkler Strom den Rücken hinunter, und ihre Haut hatte einen warmen, braunen Farbton. Ihr Mund war schwarz, das Kinn
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