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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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mit dunklen Linien und Kreisen bedeckt. Von den Tätowierungen, mit denen sich auch die einheimischen Frauen schmückten, hatte Johanna schon auf dem Schiff gehört und Abbildungen in Büchern gesehen.
    Als Miri ihr ein Lächeln zuwarf, trat das Fremde in ihren Zügen in den Hintergrund. » Willkommen in Aotearoa, Ma’am. «
    » Mrs Waters’ Ehemann besitzt Land am Oberlauf des Whanganui. Er hat sie nicht abgeholt. Meinst du, dein Cousin würde sie führen? «
    » Sicher « , entgegnete sie daraufhin. » Tamati verlangt nicht viel Geld, und er wollte in den nächsten Tagen ohnehin nach Hause. Wir kommen selbst aus der Gegend, Mrs Waters. Den Weg findet er leicht, er reitet ihn mehrmals im Jahr. «
    Johanna tauschte einen kurzen Blick mit Abigail. Die Begegnung mit Miri hatte ihr Hoffnung gemacht, dass es doch nicht so riskant wäre, sich einem eingeborenen Führer anzuvertrauen.
    So wurde verabredet, dass Tamati am nächsten Tag, wenn auch Arthur da wäre, zur Gaststätte kommen sollte. Dann würde Arthur die Entscheidung fällen, ob sie warten oder die waghalsige Reise durch Neuseelands Urwälder antreten würden.

    In der kleinen Herberge teilten sich Johanna und Abigail ein Zimmer. Während die Irin schon eine ganze Weile schlief, hatte Johanna Probleme, Ruhe zu finden. Es war so schrecklich still. Nach den vielen Wochen auf See fehlten ihr das Meeresrauschen und die sachten Schiffsbewegungen. Manchmal trogen sie ihre Sinne, und sie hatte den Eindruck, das Haus würde plötzlich schwanken. Dann riss sie die Augen auf und krampfte ihre Hände in die Bettdecke.
    Sie fühlte sich so schrecklich allein. Nach all der Zeit, die sie darüber nachgedacht hatte, wie es sein würde, Thomas wiederzusehen, glich es einem Schock, plötzlich ohne ihn dazustehen.
    Hoffentlich gab es nur einen banalen Grund für seine Verspätung, und ihm war nichts passiert. Johanna schickte ein schnelles Gebet gen Himmel und fiel endlich in einen unruhigen Schlaf. Ihr Traum führte sie zurück nach London.

September 1844
    London
    N ach der Hochzeit hatte Johanna mit Thomas eine kleine Stadtvilla in Marylebone bezogen, die schon seit einigen Jahren im Besitz der Fabrikantenfamilie war. Das Haus war ein Traum, und ihr neuer Ehemann, der ihr jeden Wunsch erfüllen wollte, ließ ihr völlig freie Hand bei der Einrichtung. Anfangs hatte sie sich geniert, so viel Geld für Möbel, Geschirr und Handwerksarbeiten auszugeben, doch nach einer Weile gewöhnte sie sich an den Reichtum.
    Thomas war freundlich zu ihr, behandelte sie höflich, aber oberflächlich. Nach zwei Monaten war ihr Heim hergerichtet, alles war perfekt, und die beiden Hausangestellten ließen nicht die kleinste Unordnung entstehen. Und damit wurde Johanna zur Untätigkeit verurteilt. Sie las viel, oft an einem schattigen Plätzchen im Garten, doch ihre innere Unruhe wuchs. Sie wollte ausreiten wie früher, doch Thomas hatte mehr als deutlich gemacht, dass es ihm nicht passte, wenn seine junge hübsche Frau allein unterwegs war. Er wusste von ihren Gefühlen zu Liam und glaubte wohl, dass er ihr überall auflauern würde.
    Die wenigen Male, die Johanna nun ausritt, war immer ein Mann vom Wachdienst aus der Fabrik der Waters dabei. Es waren grimmige Kerle, die scheinbar zu allem entschlossen waren, keine einfachen Stallburschen, denen sie davonreiten konnte.
    Johanna fühlte sich eingesperrt. Thomas interessierte sich nicht für Musik oder Theater, geschweige denn für Kunst oder die Schätze aus den Kolonien. Und doch hatte sie auch schöne Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit. An den Wochenenden unternahmen sie lange Spaziergänge oder fuhren aus. Thomas entführte sie an kleine romantische Orte unweit von London, wo er ihr die Welt zu Füßen legte. Sie picknickten oder trafen sich mit Freunden zum Bowls oder Federball spielen. Thomas’ Liebe war beängstigend stark. Johanna bedauerte besonders an jenen glücklichen Sommertagen, dass sie seine Gefühle nicht in gleicher Weise erwidern konnte. Sie hoffte, dass die Zeit das ändern würde. Er hatte es verdient. Die Samstage standen oft ganz im Zeichen von Festen. Der Sommer war die Zeit der Gartenpartys und Tanzabende, auf denen sich die bessere Gesellschaft vergnügte. Mit glühendem Stolz stellte Thomas Johanna seinen Freunden und Geschäftspartnern vor, und ihr schwirrte bald der Kopf von den vielen neuen Namen, die sie sich merken musste.
    In der Woche war sie oft einsam. Thomas verließ früh das Haus und blieb lang in der

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