Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
den Boden sinken. Ihre Beine waren weich, wollten sie nicht mehr tragen.
In dieser Situation scherte es sie nicht, was Arthur, Abigail und Tamati von ihr dachten. Die drei hatten die Hütte nun ebenfalls erreicht, und Thomas ging ihnen entgegen, als sei nichts geschehen.
Arthur stellte die Irin und den einheimischen Führer vor. In einem knappen Gespräch zwischen den Männern wurde endlich klar, warum Thomas sie nicht am Hafen abgeholt hatte. Sie wurden nicht erwartet! Bis vor wenigen Augenblicken hatte er Johanna noch in England vermutet.
Eine zweite Nachricht hatte London nie oder zu spät erreicht.
Johanna drückte sich eine Hand auf die glühende Wange und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als in London zu sein. Weit weg von Thomas, den Eingeborenen mit ihrem ungastlichen Land und ihrem Krieg.
Könnten sie ihre Eltern, vor allem ihre ach so feine Mutter jetzt nur sehen. In der Wildnis mit einer armseligen Hütte als Heim und einem gewalttätigen Kerl zum Mann. Wenn ihre Eltern das gewusst hätten, wenn sie nur… dann hätten Liam und sie noch eine Chance gehabt.
Thomas begutachtete die mitgebrachten Pferde, mit denen er eine eigene Kaltblutzucht aufbauen wollte. Jeder tragenden Stute flüsterte er ein freundliches Wort zu, strich ihr über den Bauch, während Johannas Traurigkeit sich allmählich in Zorn verwandelte. Er schenkte den Tieren mehr Aufmerksamkeit und Liebe als seiner eigenen Ehefrau. Am liebsten wäre sie ewig auf der Veranda hocken geblieben, bis er sich entschuldigte, doch sie kam sich schon jetzt töricht vor.
Was dachte Thomas eigentlich von ihr?
Sie hatte ihn nicht betrogen, vielleicht in Gedanken, aber wer konnte schon seine Träume einsperren? Jetzt wünschte sie in ihrem Zorn, sie hätte Liam häufiger geküsst und noch viel mehr gewagt.
Trotz stieg in ihr auf. Mit einem energischen Ruck kam sie auf die Beine und trocknete ihre Tränen.
Thomas würde sich noch wundern. Nach dieser Begrüßung würde er hart arbeiten müssen, um sie wieder berühren zu dürfen, und das Ehebett, wenn es in dieser Bruchbude überhaupt so etwas gab, würde er noch lange nicht mit ihr teilen!
Johanna spürte Thomas’ Blick auf sich ruhen wie einen unsichtbaren spitzen Finger, der sich in ihren Rücken bohrte, damit sie sich endlich umdrehte. Doch sie tat ihm den Gefallen nicht.
Sie packte die Koffer und Taschen aus und verteilte ihre wenigen Habseligkeiten auf den Schrank und die Truhe, die dafür vorgesehen waren. Von dem Gedanken, bei ihrer Ankunft neue Kleidung, Bettwäsche und anderen Hausrat zu erwerben, war sie längst abgekommen.
So etwas gab es am Tarapunga nicht. Sie mussten mit dem auskommen, was sie mitgebracht hatte und im Haus vorfand.
Thomas stand im Eingang zum Schlafzimmer an den schiefen, grob gezimmerten Türrahmen gelehnt. Er hielt die Arme in einer eindeutig abweisenden Haltung verschränkt, doch seine Augen sprachen eine gänzlich andere Sprache.
Er wollte sie. Für einen kurzen Moment, da sie ihn ansah, hatte ihr sein begehrlicher Blick schreckliche Angst eingejagt, als glühe in ihnen das Feuer der Hölle. Der Gedanke, sich ihm zu widersetzen, begann bereits zu bröckeln. Andererseits musste doch auch etwas von dem liebevollen Thomas übrig sein, den sie in London kennengelernt hatte.
» Möchtest du dir mit mir die Farm ansehen? « Es klang wie ein Befehl, und sie hasste diesen Ton an ihm. So leicht würde sie nicht einlenken.
» Nein, ich bin müde « , gab sie zurück und wandte sich nicht um. Sie nahm ein Kleidungsstück nach dem anderen aus der Tasche und breitete sie auf dem Bett aus.
Das winzige Fenster, das zwischen die schweren Holzbalken der Wand eingelassen war, übte eine magische Anziehungskraft auf sie aus. Wie gern wollte sie ihr neues Heim erkunden, doch dann würde Thomas glauben, sie hätte ihm den Schlag ins Gesicht verziehen.
» Gut, dann nicht. Verkriech dich hier nur! « Er schnaubte enttäuscht und ging.
Sobald seine Schritte auf der Treppe nach unten verklungen waren, ließ sich Johanna auf das Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Kissen. Es roch nach Thomas.
Wütend schlug sie die Faust in die Strohmatratze. Was hätte sie jetzt dafür gegeben zu wissen, was in dem Brief stand.
Erinnerungen an ihr sorgloses Leben in London überkamen sie, und nachdem sie wütende Tränen vergossen hatte, sank sie in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
Es klopfte zaghaft an der Tür. Johanna drehte sich träge auf den Rücken. Durch das
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