Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Großteil der Arbeit tun, das hat sie versprochen. Oder ich könnte noch jemanden einstellen. «
» Meine Ehefrau langweilt sich zu Tode! « Thomas schüttelte amüsiert den Kopf. » Nein, das könnte ich nicht verantworten. «
» Die Schafe, die du mit dem Hof übernommen hast, haben sehr gute Wolle, sagt Abigail. Sie sind zu schade, um deinen Arbeitern als Suppeneinlage zu dienen. «
» Ich bin Fabrikant, Johanna, ich habe keine Verwendung für Schafe, aber wenn du möchtest… « Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme.
» O ja, bitte! Sie bekommen in den nächsten Tagen ihre Jungen, und wir müssen sie einfangen, und einen Zaun, wir brauchen einen Zaun. «
Thomas umarmte sie und drückte sie fest an seine Brust.
» Dein Wunsch ist mir Befehl. Morgen lassen wir die Arbeit am Sägewerk ruhen, und dann fangen wir die Biester für euch ein. «
November 1845
I m Tower von London
F itzgerald! « , der Ruf hallte durch die Gänge, brach sich an den Wänden und echote in der Kälte, die seit Monaten an seinen Knochen fraß.
Liam quälte sich hoch. Jeder Muskel protestierte gegen die plötzliche Bewegung. Aus alter Gewohnheit strich er die fadenscheinige Leinenkleidung glatt, die viel zu weit an seinem ausgemergelten Körper schlackerte. Stroh und Dreck klebten daran. Liam schlurfte zur Tür und stützte sich an den Gittern ab. Die Schwäche in seinem Körper war hartnäckig, ihm schwindelte, und er sah Blitze vor seinen Augen. Es stank erbärmlich in der Zelle, er selbst roch kaum besser.
Mit dröhnenden Schritten näherte sich der Wärter, und der flüsternde Klang von Schlüssen wuchs zum verheißungsvollen Versprechen.
Heute war etwas anders. Aus irgendeinem Grund lag Hoffnung in der Luft. Liams Puls beschleunigte sich, und er schalt sich einen Idioten, als der kleine Schieber an der Tür tatsächlich quietschend zur Seite geschoben wurde.
Jemand sah durch die Luke in die Zelle. Ein Auge glänzte im unruhigen Lichtschein einer Fackel.
» Zurücktreten! « , befahl der Wächter.
Liam stolperte einige Schritte zur Seite. Jetzt nur keinen Fehler machen.
Seine Zelle wurde aufgeschlossen. Das Licht der Fackel, grell wie die Mittagssonne, fiel durch die offene Tür. Erst riss er geblendet den Arm hoch, um seine Augen zu schützen, doch dann ließ er ihn wieder sinken. Licht. Jede Faser seines Körpers sehnte sich danach. Blinzelnd starrte er in die zuckenden Flammen.
» Komm raus, Fitzgerald, und mach keinen Mist, heute ist dein Glückstag « , brummte der Wächter, seine Stimme klang wie rostige Eisenketten. Liam kannte den dicklichen Mann. Bannock war immer freundlich und hatte ihm sogar manchmal eine kleine Extraration Brot zugesteckt.
» Legen Sie mir keine Fesseln an, Sir? « , erkundigte sich Liam ungläubig.
» Warum? Willst du weglaufen? Palaver nicht, komm. « Hatte der Wächter gerade gelächelt? Es konnte doch nicht…? Das Herz voller Hoffnung strauchelte Liam in den Flur hinaus. Sofort war Wächter Bannock zur Stelle, legte ihm die Linke auf die Schulter und schob ihn vorwärts. Die fremde Hand fühlte sich schwer und unnachgiebig an, doch Liam ahnte, woran das lag. Er war bis auf die Knochen abgemagert. Der ekelhafte Eintopf, ein Brei aus Getreide und hin und wieder einer Zwiebel oder Karotte, den er nun schon seit Monaten vorgesetzt bekam, reichte nicht aus, um seinen Körper auf Dauer zu ernähren. Die Schultern stachen spitz hervor, und wenn er an sich hinabsah, erinnerten ihn seine Knie an die des verhungerten Gerippes, das sie vor einiger Zeit aus der Nachbarzelle hinausgetragen hatten. Wenn sie im Tower lange genug warteten, ersparten sie sich sogar die Hinrichtungen. Freilich gab es in den Obergeschossen auch Zellen für privilegierte Inhaftierte, die kaum noch etwas mit einem Gefängnis gemein hatten, doch zu denen gehörte Liam leider nicht.
Bannock schob ihn in einen anderen Gang und auf eine Treppe zu. Die Stufen hinabzusteigen fiel Liam erschreckend schwer. Er hielt sich mit einer Hand am Geländer fest, dann brachte ihn ein frischer Windstoß, der unvermittelt durch ein vergittertes Fenster wehte, aus der Konzentration, und er stürzte die letzten Stufen hinab. Seine Stirn prallte auf die steinernen Bodenplatten, und er spürte die durchdringende Kälte, während erst Schmerz in seinen Kopf schoss, dann dumpfes Nichts.
Die Ohnmacht war nur von kurzer Dauer. Liam kam auf die Beine, bevor die Kälte der Steinfliesen gänzlich in seine Glieder kriechen konnte. Der unverkennbare
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