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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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Achtung, wenn sie es schon nicht mit gleicher Kraft erwidern konnte.
    Als er sich umdrehte und sie bemerkte, strahlte sein Gesicht kurz auf, doch gleich darauf nahm es einen Ausdruck an, der Johanna innerlich zusammenzucken ließ.
    Thomas nahm sie am Arm und führte sie zur Seite. Sie wehrte sich nicht.
    » Was machst du hier? « , fuhr er sie an.
    Johanna schluckte. Jetzt nur nicht das Falsche sagen.
    » Ich bin hier, um meinen Ehemann zu besuchen. Und ich habe dir etwas zu essen mitgebracht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass hier eine halbe Stadt entsteht. «
    Thomas sah sie prüfend an, als lege er jedes ihrer Worte auf die Goldwaage, und schwieg.
    Entschlossen hob Johanna den Blick. Er sollte sehen, dass sie es ehrlich meinte. Für die nächsten Worte brauchte sie ihren gesamten Mut. » Ich habe dich geheiratet Thomas, nicht Liam Fitzgerald. Ich bin deine Frau, und ich bin dir bis hierher ans andere Ende der Welt gefolgt. Ich habe mich auf dich gefreut. Was auch immer in dem Brief gestanden hat, es war doch nicht ich, die ihn geschrieben hat! «
    Er sah zu Boden und fuhr sich durch das Haar. Es waren mehr graue Strähnen darin, als sie bei ihrer Ankunft entdeckt hatte, doch es stand ihm. Ebenso wie die verlorenen Pfunde, die aus dem eher feisten Industriellen einen drahtigen Entdecker gemacht hatten. Die viele frische Luft und die körperliche Arbeit taten ihr Übriges.
    » Thomas, sag etwas. Wir können unser gemeinsames Leben hier doch nicht auf diese Weise beginnen! «
    » Du hast recht. Ich denke, ich sollte mich bei dir entschuldigen « , meinte Thomas nach einer Weile. Er gab ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Wange. » Verzeihst du mir? «
    Nur wenn du mir den Brief gibst, forderte eine leise, wehmütige Stimme in Johanna, doch dann rang sie sich zu einem Lächeln durch und nickte schnell. » Ja, ja, natürlich. «

    Abigail stand mit Tamati vor der Fabrik. Sie war froh, ihn nach all den Tagen wiederzutreffen. Sie hatte ihn vermisst, doch jetzt wusste sie nicht recht, wie sie das Gespräch beginnen sollte.
    » Hast du dich eingelebt, auf der Farm? « , brach Tamati das Schweigen. Sie nickte und gab eine schnelle Zusammenfassung der vergangenen Tage. » Es wird schrecklich viel Arbeit, aber es ist ein wunderschöner Ort zum Leben. «
    » Du bist eine tüchtige Frau « , erwiderte er anerkennend. Abigail lächelte.
    » Hast du Arbeit in der Fabrik bekommen? «
    Tamati schüttelte den Kopf.
    » Nein, und das will ich auch nicht. Ich hab sie mir nur angesehen. Ich habe dir erzählt, was ich bin, tahunga ta moko, ein Tätowierer. Das ist ein hoch angesehener Beruf. «
    Abigail nickte langsam und fühlte Traurigkeit in sich aufsteigen. Das hieß also, dass er fortgehen würde.
    Eine flüchtige Berührung an ihrer Wange ließ sie aufsehen. Tamati wusste scheinbar genau, warum sie plötzlich nicht mehr strahlte. Er wies mit dem ausgestreckten Arm über den See. » Dort auf der anderen Seite liegt Urupuia, wo ich lebe. Man reitet einfach am linken Ufer entlang. Mit einem guten Pferd schaffst du die Strecke in drei Stunden. «
    » Dann ist es nicht weit? «
    » Nein. Und wenn ich nicht viel zu tun habe oder Mrs Waters Hilfe braucht, komme ich gerne für ein, zwei Tage vorbei. «
    » Das würde mich freuen « , gestand Abigail. Tamati drückte kurz ihre Hand. Es war alles gesagt. Sie standen so nah beieinander, dass sie glaubte, seine Körperwärme spüren zu können, und blickten schweigend auf den See, der in der Sonne funkelte. Die Arbeiter, die Holz verluden und Schindeln zurechtschlugen, nahm sie gar nicht wahr.
    Schließlich räusperte sich Tamati und reichte Abigail die Zügel von Johannas Pferd.
    » Ich breche jetzt auf, wir sehen uns bald. «
    » Ja, auf bald. «

    Nach einem ausführlichen Rundgang durch das fast fertige Sägewerk schwirrte Johanna der Kopf vor lauter neuen Eindrücken. Sie verließen die Fabrik, und Thomas führte sie ein wenig abseits zu einigen glatt geschliffenen Felsen, die bis in den See hineinragten.
    Umgeben von flüsterndem Schilf setzten sie sich und teilten das Essen, das Johanna mitgebracht hatte. Die Landschaft war atemberaubend. Über den Himmel zog sich eine lange Kette bauschiger Wolken, die immer neue Muster von Licht und Schatten auf Wasser und Wälder zauberte. Eine dicke Nebelschicht erhob sich in der Ferne über den Baumkronen und ließ das Bergmassiv nur erahnen. Tamati hätte sicherlich eine passende Geschichte erzählt. Sei es von einem scheuen Mädchen, das in einen

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