Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Männer in tadellos sitzenden Uniformen, deren Tressen und Spiegel von ihren hohen Rängen kündeten, durchquerten die weite Eingangshalle und hielten geradewegs auf den Salon zu. Liam zwang seinen schmerzenden Körper aus dem bequemen, mit grünem Brokat bezogenen Sofa. Vor diesen Männern wollte er keine Schwäche zeigen. Sein ehemaliger Fechtlehrer Sir Charrié und der Rittmeister der Akademie, Walsh, begrüßten ihn, als hätte seine Ehre nicht gelitten und er den Tower nie von innen gesehen.
Bei Zigarren und einem Glas Cognac setzten sie Liam davon in Kenntnis, was mit ihm geschehen würde. Er sollte seinen Besitz und seinen aberkannten Offiziersrang wiedererhalten. Es war gelungen, den Direktor des Towers auf ihre Seite zu ziehen, ebenso einen Richter. Ein erneutes Verfahren bot das Risiko, dass Liam erneut verurteilt wurde. Die Fabrikanten Waters hatten ihr Komplott zu gut eingefädelt, um auf legale Weise dagegen vorzugehen. Es gab Zeugen, die Liam am fraglichen Abend vor der Fabrik gesehen hatten. An der Tatsache, dass Liam heimlich in das Gelände eingedrungen war, ließ sich auch nicht rütteln, also waren Allianzen gebildet worden und Bestechungsgelder geflossen, entnahm Liam den vagen Aussagen seiner Helfer. Die Akten über die Verurteilung und die Zeit in Gefangenschaft würden verschwinden, als hätten sie nie existiert.
» Es wird so sein, als kämen Sie gerade von der Akademie « , erklärte der Rittmeister, » allerdings unter einer Bedingung. «
Liam schluckte. Jetzt kam der Haken, natürlich.
» Es ging nicht anders « , warf Kenneth ein und wich Liams Blick aus.
» Was? «
» Sie müssen England verlassen und dürfen vor Ablauf von zehn Jahren nicht zurückkehren. Ihr Fall ist nicht so schwer, dass man Sie verfolgen würde, doch sie müssen aus der Erinnerung der Leute verschwinden. Mit der Zeit wird Gras über die Sache wachsen. Sehen Sie es doch so: Sie tauschen Jahre im Gefängnis gegen Jahre, in denen Sie Ihre Karriere vorantreiben können. Ihr Marschbefehl liegt bereit. Sie werden der Krone dienen… «
» Wo? «
» Indien, Ceylon… «
» Neuseeland! « , drängte Liam.
Der Rittmeister hob überrascht die Brauen.
» Lass es ruhen. Das bringt Duncan nicht zurück! « , mahnte Kenneth.
» Nein, aber der Mörder meines Bruders kommt nicht einfach so davon! Ich habe es ihm geschworen! «
» Das ist Ihre Sache, Mr Fitzgerald. Solange Sie der Krone keine Schande machen, ist es Ihre Privatangelegenheit. Die Eingeborenen dort haben in den letzten Monaten vermehrt Siedler angegriffen. Es liegen Gesuche um Truppenverstärkung vor. Wir werden einige Einheiten aus Australien dorthin verlegen. Wir könnten Sie hinschicken. Wenn das Ihr Wille ist? «
In Liams Brust erwachte brüllend der Rachedurst. Die Aussicht, seinen Schwur schon so bald in die Tat umsetzen zu können, feuerte sein Herz an. Er ballte die Fäuste.
» Ja, es ist mein Wunsch, Sir Charrié! «
» Dann machen Sie sich bereit, Ihr Schiff geht in den nächsten Tagen. «
Die Männer erhoben sich und reichten ihm zum Abschied die Hand. » Dienen Sie der Krone gut, Fitzgerald. Hass ist ein gefährliches Feuer, es kann Sie allzu schnell verbrennen. Sie waren einer meiner besten Kadetten, machen Sie etwas aus Ihren Fähigkeiten, und vergeuden Sie Ihr Talent nicht. «
» Sir, Sie können sich auf mich verlassen. «
» Wenn Sie zurückkehren, dann wird niemand mehr von der unschönen Sache bei Waters wissen. In zehn Jahren erwartet Sie eine Karriere an der Akademie, und ich hoffe, dass ich Ihre Rückkehr noch erleben darf. Bis dahin, leben Sie wohl. «
Im Tal des Windes
J ohanna konnte kaum glauben, wie schnell die Männer arbeiteten. Schon am Vorabend war ein Arbeiter mit zwei der Shire-Stuten zum Hof gekommen und hatte Dutzende Pfähle und Latten gebracht, aus denen der Zaun für die Schafe gebaut werden sollte.
Am Morgen darauf war das Tal plötzlich voller Männer, die mit lauten Schreien und deftigen Flüchen die verschreckten Tiere vor sich hertrieben. Das Durcheinander dauerte mehrere Tage, aber schließlich war es geschafft. Es entstanden zwei eingezäunte Weiden, die für die Mutterschafe reichten, und sogar ein neues Stallgebäude mit einem Unterstand, wenn schlechtes Wetter herrschte.
Nun lag das Tal des Windes, awaawa te hauwhenua, friedlich da im letzten Licht der Abenddämmerung.
Erschöpft und sehr zufrieden stand Johanna am winzigen Fenster des Schlafzimmers und sah hinaus. Bald war es ganz dunkel. Die Nacht
Weitere Kostenlose Bücher