Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
wartete, und damit all die kleinen Verfehlungen wiedergutmachen. Thomas wusste noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Es war ihr besonderes Weihnachtsgeschenk an ihn.
Jetzt waren sie auf dem Weg nach Urupuia. Thomas erfüllte ihr damit einen sehnlichen Wunsch, für den sie lange hatte kämpfen müssen. Es erschreckte sie immer noch, dass er keinerlei Bedürfnis verspürte, einen Gottesdienst zu besuchen oder im Beichtstuhl seine Seele zu erleichtern. Heute begleitete er seine Ehefrau, aber nur, um ihr wegen Weihnachten einen Gefallen zu tun.
Sie ritten nebeneinander, passierten die Baustelle, wo zwischen den beiden Rata-Bäumen das Gerüst ihres neuen Heims stetig anwuchs. Die Kronen der Bäume glichen purpurnen Wolken. Sie waren so voller Blüten, dass kaum noch ein grünes Blatt zu erkennen war. Unbewusst strich Johanna über ihren Unterleib. Wenn das Kind kam, würde auch das Haus fertig sein. Thomas hatte sein Versprechen gehalten, er baute einen Palast für seine kleine Familie. Er sah ihr Lächeln nicht, blickte wie sie zu dem Holzgerüst, das nun täglich mehr wie ein Haus aussah. Das Fundament aus Steinen stand bereits. Einen Schritt hoch waren sie geschichtet, fest verfugt und weiß getüncht. » Ich kann es kaum noch erwarten « , seufzte Johanna.
Thomas wandte sich ihr zu und schenkte ihr ein stolzes Lächeln. Es erfüllte ihn, seinen Traum wachsen zu sehen, und sein Glücksgefühl machte das Zusammenleben für beide leichter.
Solange Johanna die Sprache nicht auf Thomas’ Streit mit den Maori lenkte, kamen sie gut miteinander aus. Gemeinsame Themen, über die sie sprechen konnten, gab es allerdings bis auf den Hausbau so gut wie keine. Thomas teilte seine Sorgen über das Sägewerk nicht mit ihr, wenn überhaupt, so sprach er mit Arthur darüber, wenn dieser beim Abendessen zu Gast war. Der erblühende Garten und die Schafe, die dank Abigails Pflege prächtig gediehen, interessierten ihn wiederum nicht, woraus er keinen Hehl machte.
So brachten sie auch den Ritt nach Urupuia schweigend hinter sich. Abigail folgte ihnen in einigem Abstand. Arthur hatte kein Interesse am Gottesdienst und blieb bei der Fabrik, wo er eine kleine Wohnung hatte.
Als die ersten Flachsfelder auftauchten und die Stege des kleinen Naturhafens zu erkennen waren, begann die Glocke zu läuten.
» Ist das nicht schön, Thomas? Es klingt, als wären wir in London. «
» Ich hoffe, dein Priester will nicht über Landrechte predigen, sonst gehe ich. «
Die Freude schwand, als sei plötzlich ein Schatten auf den Weg gefallen. So wie Johanna Father Blake kannte, würde er womöglich genau das tun. Sie hoffte nicht. Thomas durfte ihr erstes gemeinsames Weihnachten in Neuseeland nicht auf diese Weise ruinieren.
Die Kirche war festlich erleuchtet und beinahe bis auf den letzten Platz besetzt. Für Johanna, Thomas und Abigail blieb die erste Reihe. Als hätte Father Blake ihren stummen Wunsch gehört, beschränkte er sich in seiner Predigt darauf, Pakeha und Maori zu einem friedlichen Miteinander aufzurufen. Drei Maori-Frauen sangen einige Psalme, dann teilten sie das Abendmahl, und schon war der Gottesdienst vorbei.
Johanna und Thomas blieben sitzen, bis fast alle Besucher die kleine Kirche verlassen hatten.
» Schau dir die Schnitzereien an, ist das nicht faszinierend, wie die Maori die Bibelszenen umsetzen? « Johanna nahm Thomas’ Hand. Er folgte ihr zu einem kleinen Altar. Die Skulptur zeigte Michael im Kampf gegen den Drachen. In düsterem Holz gearbeitet, umschlang die Echse den himmlischen Streiter und glich den Seeungeheuern, die die Maori so gerne darstellten.
» Ich kann daran nichts finden. Es ist grob und primitiv, genau wie die Wilden, die es gemacht haben. Dein Vater hat dir ein seltsames Interesse vererbt. Ich finde es merkwürdig, besonders für eine Frau. Aber wenn es dich glücklich macht… « Er drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe und schien nicht zu bemerken, wie sehr sie seine Worte enttäuschten.
Johanna schluckte ihre Antwort hinunter. Es hatte keinen Zweck. Schweigend entzündete sie eine Kerze, bat still um den Segen für ihre Eltern im fernen London und für Thomas und das Kind, das in ihrem Leib wuchs. Nach kurzem Zögern schloss sie Liam in ihre Bitte mit ein. Der Gedanke an ihn war ein ständiger Begleiter. Zeit heilt Wunden, dieser Spruch hatte sich, wie sie feststellen musste, bisher nicht bewahrheitet.
An der Kirchentür wartete Father Blake und wünschte ihnen ein besinnliches Fest. Der
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