Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
ledernen Satteltaschen trocken bleiben würden. Zur Sicherheit stellte sich Johanna kurz in die Steigbügel, zog den Stoff ihres weiten Reitkleides unter sich hervor und deckte die Taschen damit ab.
Als die Fabrik endlich in Sicht kam, galoppierte Star längst nicht mehr. Der Regen prasselte unvermindert auf sie herab. Johanna war nass bis auf die Haut und fror erbärmlich. Star schüttelte sich immer wieder. Ein hoffnungsloses Unterfangen, sie wurde keinen Deut trockener. Johanna redete ihr gut zu und erinnerte ihre treue Freundin an eine Fuchsjagd, bei der sie noch schlimmer durchweicht worden waren und sie als einzige Frau bis zum Ende durchgehalten hatte.
Das rohe Gerippe aus Balken und Streben, das einmal ihr herrschaftliches neues Heim werden sollte, schälte sich langsam aus dem grauen Einerlei, zu dem Wald, Himmel und Wasser verschmolzen waren.
Ein Pferd wieherte, Star gab freudig Antwort und trabte los. Johanna überließ dem Tier die Entscheidung, und beließ die klammen Hände lieber vergraben unter dem Schultertuch, als nach den Zügeln zu greifen.
Im flotten Trab ging es auf dem schnellsten Weg quer durchhüfthohes Farn und Gestrüpp, bis sie den Schuppen erreichten.
» Mein Gott, Johanna! « Thomas rannte durch den Regen auf sie zu und half ihr aus dem Sattel. Die durchweichten Stofflagen ihres Kleides klebten am Sattelleder und am Pferdefell fest.
Sie ließ sich in Thomas Arme fallen.
» Wie konntest du nur bei solch einem Wetter aufbrechen! «
» Als ich losritt, schien die Sonne « , protestierte sie halbherzig und löste die Bänder der Satteltaschen, um die Bücher zu retten.
Kurz darauf saß Johanna in Unterkleidern an einem rauchenden Feuer, das die Arbeiter unter einer Plane entzündet hatten, und wärmte sich die blau gefrorenen Finger.
Die gierigen Blicke der raubeinigen Kerle versuchte sie so gut wie möglich zu ignorieren. Es waren vornehmlich Weiße, doch manche von ihnen sahen gefährlicher aus als die wildesten Maori, und Johanna begann sich zu fragen, wo ihr Ehemann diese Bande zwielichtiger Gestalten aufgetrieben hatte. Angeblich schafften es immer wieder entflohene Sträflinge aus Australien bis nach Neuseeland.
Thomas schwieg und starrte sie nachdenklich an. Wie ein fernes Trommelfeuer prasselte der Regen auf die Plane und hätte wohl jedes Gespräch übertönt, wenn sich jemand unterhalten hätte.
Sobald der Regen nachließ, schickte Thomas die Männer wieder an die Arbeit. Seine Worte waren barsch und wurden sofort befolgt.
Als er sich daraufhin zu ihr an das Feuer hockte und ihr sanft über den Rücken strich, glaubte Johanna, einen völlig anderen Menschen vor sich zu haben. Das sprunghafte Wechselspiel der beiden Gesichter von Thomas Waters weckten eine leise, unbestimmte Angst in ihr.
» Wie geht es meiner lieben Frau, hast du deiner Frömmigkeit Genüge getan und dein Gewissen im Gebet erleichtert? « , erkundigte er sich. Johanna entging der spöttische Unterton nicht. Sie fühlte, sich innerlich schrumpfen. Ein Zittern durchfuhr sie, das wohl der Kälte geschuldet war.
» Es hat mir gutgetan, endlich wieder eine Kirche zu betreten, Thomas « , erwiderte sie, ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
Als er schwieg, fuhr sie mutiger fort: » Father Blake erinnert mich in vielen Dingen an meinen Vater. Die beiden würden sich sicherlich prächtig verstehen… «
Thomas drückte Johanna kurz an sich und seufzte.
» Du vermisst deine Eltern, nicht wahr? «
» Natürlich. «
» Bald werden wir hier unsere eigene Familie haben, Johanna. Wenn erst einmal Kinder da sind, wirst du auch weniger Heimweh haben. «
Johanna schluckte die aufsteigenden Tränen herunter und wandte sich zu Thomas um.
» Unsere Kinder? Wo sollen sie aufwachsen? Was für Menschen sollen aus ihnen werden, wenn sie unter Wilden und Arbeitern groß werden, die wie halbe Tiere sind? Was, wenn die Maori sich bald nicht mehr damit begnügen, am Waldrand zu stehen, uns anzustarren und Verwünschungen auszustoßen? «
» Du brauchst dich nicht zu fürchten, Johanna! «
» Nein? Und warum nicht? Als wir von Petre hierhergekommen sind, haben wir ein Dorf gesehen, in dem die Menschen getötet oder vertrieben worden waren, Thomas. Ich werde den Anblick nie im Leben vergessen! «
Thomas’ Gesicht wurde hart. Er nahm ihre Hände in seine und drückte sie fest.
» Ich schwöre dir bei meinem Leben, ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht. Niemals, hörst du! Ich werde es mit allen Mitteln
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