Im Taumel der Herzen - Roman
vollgestellt, von denen einige recht eigenartig aussahen, die meisten aber sehr schön waren.
»Das sind keine normalen Gebrauchsgegenstände, mit denen man sein Haus dekorieren würde«, erklärte Julia ehrfürchtig. »Die kleineren scheinen aus echten Edelsteinen gefertigt zu sein, nicht aus farbigem Glas. Und sieh dir diese Vase hier an!« Sie griff nach einer, die annähernd die Größe ihrer Hand hatte. »Wie ich schon dachte: Sie hat das Gewicht von purem Gold, nicht von bemaltem Metall.«
»Ich verstehe das nicht. Er lässt zu, dass seine Schulden immer mehr anwachsen, während er hier dieses Vermögen weggeschlossen hat?«
Julia verstand es ebenso wenig. »Nun ja, vermutlich hat er die Sachen weggeschlossen, weil sie so wertvoll sind. In der Tat stellt hier jedes einzelne Teil ein Kunstwerk dar. Auf den ersten Blick hätte ich gesagt, dass es sich um Familienerbstücke handeln muss …«
»Die er der Familie noch nie gezeigt hat?«
»Dieses Exemplar hier kommt mir irgendwie bekannt vor«, bemerkte Julia, die gerade die goldene Vase etwas genauer unter die Lupe nahm. »Ich hätte sie am liebsten selbst gekauft. Sie war in einem der eher teuren Geschäfte in der Bond Street ausgestellt. Aber ich bin nicht so verschwenderisch, dass ich Tausende von Pfund für eine Vase ausgebe, nur weil sie angeblich ein Unikat ist und daher als unbezahlbar gilt. Meine Mutter hätte so etwas getan. Jedenfalls mögen ein paar von diesen
Vasen und Urnen durchaus Erbstücke sein, die eure Vorfahren im Laufe der Jahre erworben haben, aber bestimmt nicht alle.«
Richard hatte inzwischen in jedes Gefäß hineingeleuchtet, um sich zu vergewissern, dass sich nichts darin verbarg. Nachdem er damit fertig war, reichte er Julia die Lampe und schob sie aus dem Raum, damit er wieder abschließen konnte. Mit seiner systematischen Vorgehensweise sorgte er dafür, dass sie binnen kürzester Zeit wieder wohlbehalten in sein eigenes Zimmer gelangten.
Während er das Päckchen mit dem Werkzeug in seine Reisetruhe warf, überlegte er: »Egal, welches die Gründe oder näheren Umstände sein mögen – fest steht, dass er dort drinnen ein Vermögen versteckt hat. Und trotzdem war er all die Jahre so besessen von deinem Vermögen? Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Dein Vater ist definitiv kein normaler Mensch. Nichts, was er tut, ergibt einen Sinn. Denk doch nur an die schreckliche Art, wie er seine eigenen Söhne behandelt hat! Oder daran, dass er sich neun verdammte Jahre lang an die Hoffnung geklammert hat, du würdest eines Tages nach Hause kommen und freudig deine Pflicht erfüllen. Und warum spielt er vor Mathew diesen Bilderbuch-Großvater, der alles zu sein scheint, was man sich von einem Opa nur wünschen kann? Wenigstens brauche ich nun kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn ich die Handwerker wieder abziehe, bevor sie mit ihrer Arbeit fertig sind. Angesichts des ganzen Reichtums, den er mit dieser Sammlung von Vasen und Urnen besitzt, erübrigen sich meine Schuldgefühle. Inzwischen ist mir dein Neffe nämlich so ans Herz gewachsen, dass ich schon Bedenken bekam, ihn in diesem verrottenden alten Gemäuer zurückzulassen.«
Richard musste über ihre Wortwahl lachen. »Es verrottet nicht. Das Fundament ist solide. Natürlich lässt sich nicht
leugnen, dass viel Arbeit nötig wäre, aber Kinder achten auf so etwas nicht, und Charles verfügt über genug eigenes Geld. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass es Matthew je an etwas mangeln könnte.«
»Danke, damit hast du mir eine Last von der Seele genommen. «
Er kam zu ihr herüber und schob sie in Richtung Bett. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, doch dann sagte er: »Müde, wie du bist, kannst du ruhig ein kleines Nickerchen machen. Ich wecke dich auf, wenn Vaters Kutsche vorfährt. Ach, und Jewels, zieh am besten gleich deine Schlafsachen an. Sollte er aus irgendeinem unerfindlichen Grund heute Nacht nicht nach Hause zurückkehren, lasse ich dich durchschlafen.«
»Ich komme nicht an meine Knöpfe ran«, meinte sie gähnend.
»War das eine Einladung?«
»Was?«
Richard lachte. »Ach, nichts, du schläfst wohl schon im Stehen? Lass mich dir helfen.«
Sie wusste, dass sie sich hätte konzentrieren sollen. Schließlich zog Richard sie gerade aus. Das wollte sie ebenso wenig verpassen wie das, was vielleicht danach kam. Aber ihre Nervosität im Zimmer des Grafen hatte sie den letzten Rest Energie gekostet, sodass nun kein bisschen mehr übrig war. Richard
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