Im Taumel der Herzen - Roman
wahre Leidenschaft, und damit verbrachten wir mindestens die Hälfte unserer Zeit: mit dem Aufspüren alter Piratenschätze. Mittlerweile machen wir nichts anderes mehr. Nachdem Nathan selbst eine Weile als Geisel festgehalten worden war, zog er einen Schlussstrich unter alles, was mit seinem alten Piratenleben zu tun hatte. Wobei ihm diese Entscheidung insofern nicht schwerfiel, als Gabby ja in die Reederei Skylark einheiratete – eine Familie, die derartige Dinge gar nicht gern sieht.«
»Das alles klingt, als würde dir das Leben in der Karibik wirklich gefallen.«
»Gefallen? Ich liebe es! Allerdings geht das nicht allen Leuten so. Es ist dort sehr schön, aber völlig anders als in England. Die ganze Lebensweise unterscheidet sich grundlegend von dem, was du kennst. Manchmal ist es hart, die Hitze extrem. Die meisten Engländer, die dort hinkommen, vertragen das nicht und kehren bald nach Hause zurück.«
»Bei dir war das nicht so.«
»Ich war gezwungen, mich den Gegebenheiten anzupassen, weil ich kein Zuhause hatte, in das ich zurückkehren konnte.«
Er wandte sich wieder dem Fenster zu. Nachdem ihr Gespräch ihn an den Grund erinnert hatte, warum er damals nicht nach Hause zurückkonnte, war die Mauer wieder da.
Julia starrte auf ihren Schoß hinunter, überwältigt von tiefer Traurigkeit. Ihr Blick fiel auf den Ring an ihrer Hand – ihren Ehering. Milton hatte ihn wohl rasch einer Dienstbotin abgekauft, um für die Trauung einen Ring parat zu haben. Er passte ihr nicht richtig und war genauso hässlich, wie ihre Trauungszeremonie gewesen war.
Julia verspürte plötzlich eine schmerzhafte Beklemmung in der Brust. Sie wünschte, sie hätte nichts über das Leben gehört,
das Richard fern von England geführt hatte. Ein gewisser emotionaler Teil von ihr fand es nämlich schön , mit Richard verheiratet zu sein. Sie befürchtete, ihn im Laufe des vergangenen Monats so sehr ins Herz geschlossen zu haben, dass sie sich nun sogar in ihn verliebt hatte. Nachdem er ihr aber gerade so begeistert von seinem neuen Leben in der Karibik erzählt hatte, vermutete sie, dass darin kein Platz für sie war. Doch selbst wenn sich ein Plätzchen für sie fände, durfte sie die Augen nicht davor verschließen, dass Richard mit der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht einverstanden war. Deswegen musste sie das wieder in Ordnung bringen und ihm zumindest einen Ausweg anbieten. Da sie jedoch nicht recht wusste, wie sie das Thema anpacken sollte, zögerte sie noch — und wartete einen Moment zu lang.
Die Kutsche hielt vor Julias Haus am Berkeley Square. Richard hielt ihr die Tür auf und half ihr hinunter auf den Randstein, ohne selbst auszusteigen. War er immer noch so wütend, dass er nicht einmal mit hineinkommen wollte, um ihren Vater darüber zu informieren, dass sie verheiratet waren?
Es half nichts. Sie hatte das Gefühl, dass er gleich die Tür zuschlagen würde, ohne sich von ihr zu verabschieden.
»Ich leite sofort die Scheidung in die Wege«, versprach sie ihm rasch. »Du brauchst dir keine …«
»Du willst eine Scheidung?«, fiel er ihr barsch ins Wort.
Keine Spur von Erleichterung? Kein Dank? Noch immer nichts als Wut? Sie biss die Zähne zusammen. »Ja, natürlich. Wir haben beide nicht erwartet oder gewollt, dass es so ausgeht. «
»Ganz wie du wünschst, Jewels«, sagte er mit einer Schärfe, die Julia nicht ganz nachvollziehen konnte. Aber sie hatte da wohl etwas missverstanden, denn einen Moment später fügte er knapp hinzu: »Ich muss weiter.«
Er war bereits im Begriff, die Tür zu schließen. »Warte! Du
wirst bei der Scheidung anwesend sein müssen. Es dürfte nicht länger als ein paar Wochen dauern. Wo kann ich dich erreichen? «
Er starrte sie eine Weile wortlos an, ehe er antwortete: »Ich schätze, du solltest besser für eine lange Reise packen. Wenn du die Scheidung willst, wirst du mich begleiten müssen. Ich bleibe keinen Tag länger in diesem Land. Falls die Triton nicht segelbereit ist, nehme ich ein anderes Schiff. Ich muss nach Hause zurück, wo ich frei atmen und wieder vergessen kann, dass dieser bösartige Mistkerl überhaupt existiert.«
»Du bist noch ganz durcheinander, und deswegen denkst du im Moment nicht logisch. Es dauert nicht lange, dann haben wir das alles hinter uns.«
Richard schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Wenn ich nur einen einzigen Tag länger hierbleibe, bringe ich den Hurensohn um. Ich muss möglichst weit weg, damit ich der Versuchung nicht
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