Im Taumel der Herzen - Roman
nachgeben kann – und zwar sofort. Komm mit, oder lass es sein, Jewels! Du hast den Rest des Tages Zeit, es dir zu überlegen.«
»Ich soll hier alles liegen und stehen lassen? Einfach so? Warte! Wo fährst du hin? Ich muss doch wissen, wo du bist, damit ich dir Bescheid geben kann, ob ich … einverstanden bin.«
»Du kannst die Nachricht ins Haus von Boyd Anderson schicken lassen. Dort wohnen Gabby und Drew, mit denen ich mich auf jeden Fall noch treffen werde.«
Richard schloss die Tür und schlug mit der Faust gegen das Dach, um dem Fahrer dadurch das Zeichen zu geben, dass er weiterfahren sollte. Ungläubig starrte Julia der entschwindenden Kutsche nach. Gütiger Gott, was war da gerade passiert? Sie tat ihm den Gefallen, ihn so schnell wie möglich aus dieser misslichen Lage zu befreien, und er widersetzte sich?
46
D ie Entscheidung, England mit Richard zu verlassen, fiel Julia nicht so schwer, wie sie ihr eigentlich hätte fallen sollen. Sie entschied sich dafür, noch ehe sie an diesem Tag ihr Haus betrat.
Sie wartete, bis ihre Zofe aus der zweiten Kutsche ausgestiegen war, und wies das Mädchen an: »Lass weitere Koffer vom Dachboden herunterholen und heute noch packen. Ich gehe mit meinem Mann auf eine lange Seereise.«
Als sie dann jedoch über die Schwelle trat, schweifte ihr Blick sofort in den ersten Stock hinauf, wo ihr Vater sich aufhielt. Julia wusste, dass ihr der schwierigste Teil erst noch bevorstand. Sie gab nicht gern zu, dass sie mit etwas gescheitert war, aber die Farce in Willow Woods stellte definitiv die schlimmste Niederlage ihres Lebens dar.
Ihr Vater befand sich zwar in seinem Zimmer, doch keineswegs in seinem Bett. Arthur half dabei, seine Beine zu trainieren, wobei Gerald sich beim Gehen auf Arthurs Schulter stützte. Julia freute sich, dass die beiden sich so bemühten, seine Muskeln wieder in Form zu bringen.
»Willkommen zu Hause!«, rief Gerald bei Julias Anblick strahlend. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass ihr so schnell Erfolg haben würdet. Komm, setz dich mit mir auf diesen wunderbaren Balkon, den du für mich hast bauen lassen, und erzähle mir alles!«
Die Balkontür stand weit offen und ließ die warme frische Luft herein. Arthur führte Gerald hinaus. Julia folgte den beiden und ließ sich neben ihrem Vater nieder. Wie oft hatte sie ihm in den Sommermonaten hier vorgelesen! Obwohl sie damals fast sicher war, dass er kein Wort davon mitbekam, hatte sie doch nie damit aufgehört – nur für den Fall, dass er sie doch verstehen konnte.
Nun ließ sein erwartungsvoller Blick sie seufzen. »Es hat nicht funktioniert, Papa. Der Graf hat unserer Scharade ein Ende gesetzt.«
»Wie das?«
»Mit einer Sondergenehmigung, die es ihm erlaubte, uns auf der Stelle trauen zu lassen. Und mit einem Pastor im Schlepptau. Wir sind verheiratet.«
Gerald runzelte die Stirn und formulierte seine nächste Frage sehr vorsichtig: »Du bist darüber nicht allzu glücklich, oder?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
Er seufzte. »Es tut mir leid, ich hätte mir diese Frage verkneifen sollen. Aber als ihr beide, du und Richard, kürzlich gemeinsam hier wart, sah es für mich so aus, als würdet ihr euch richtig gut verstehen. Es kam mir vor, als hättet ihr nach all den Jahren endlich zueinandergefunden. Deswegen hoffte ich wohl, die Geschichte könnte doch noch gut ausgehen.«
Julia spürte plötzlich einen Kloß im Hals und wandte ihren Kopf ab, ehe sie antwortete: »Wir verstehen uns tatsächlich sehr gut, nur leider passen wir überhaupt nicht zusammen. Richard führt ein höchst abenteuerliches Leben am anderen Ende der Welt, wo er die meiste Zeit auf hoher See verbringt, während ich viel lieber über den Geschäftsbüchern sitzen und Gewinne addieren würde – und zwar hier in London.«
»Wenn es zu dem Zeitpunkt gar nicht euer Wunsch war, zu heiraten, warum habt ihr es dann getan? Ich hatte dir doch
gesagt, dass ich keinen Skandal scheue. Warum habt ihr euch nicht einfach geweigert?«
Julia wünschte, er hätte ihr diese Frage nicht gestellt. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Obwohl sie an jenem Abend nicht wirklich mit Richard geschlafen hatte, würden die Zeugen etwas anderes behaupten.
»Ich war mehr oder weniger in Unterwäsche – in Richards Zimmer.«
Gerald räusperte sich. »Verstehe.«
Sie verzog das Gesicht. »Es ist komplizierter, als es zunächst klingt. Das Ganze war Teil unserer Scharade. Wir wollten den Grafen glauben machen, dass
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