Im Taumel der Herzen - Roman
willst also wirklich bis in die Karibik reisen?«
»Es ist ja nicht für lange. Ein paar Wochen, dann …«
»Man braucht schon drei oder vier Wochen, um überhaupt erst dorthin zu gelangen.«
Julia seufzte ebenfalls. »Nun ja, ich werde dem Ganzen schon irgendetwas Positives abgewinnen können – hoffe ich zumindest. Ich bin noch nie gereist, abgesehen von ein paar Geschäftsreisen innerhalb von England und nach Frankreich,
deswegen wird es vermutlich eine interessante Erfahrung für mich werden. Und wenn Richard sich erst einmal beruhigt hat, ist er recht verträglich.«
»Wirklich?«
»Ja, sehr sogar. Er hat gar nichts mehr von dem Mann — besser gesagt: dem Jungen –, den ich einmal gekannt und gehasst habe. Durch die vielen Jahre im Ausland, fern von seinem Vater, ist er ein völlig anderer Mensch geworden. Zumindest, wenn er nicht gerade die Gegenwart seines Vaters ertragen muss.«
Gerald musterte sie eindringlich. »Bist du sicher, dass du eine Scheidung willst?«
Wieder stieg dieses seltsame Gefühl in Julia hoch. Sie brachte nichts anderes heraus als: »Ich bin sicher, dass er sie will.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
Da hatte er recht. Traurig gestand sie: »Ich kann nicht leugnen, dass es Momente gab, in denen es mir so vorkam, als wäre er tatsächlich der Richtige für mich. Aber unsere Lebensweise passt einfach nicht mehr zusammen, Papa. Er wird nie nach England zurückkommen – nicht, solange sein Vater noch hier lebt. Und kannst du dir mich in den Tropen vorstellen, wo es immer so heiß ist, dass ich mich die ganze Zeit nach einer Schneeflocke sehnen würde? Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen, und außerdem – außerdem liebt er mich nicht.«
»Verstehe.« Gerald seufzte. »Ich wünschte, diese Misere, in die ich dich gebracht habe, hätte für dich einen besseren Ausgang genommen.«
»Ich weiß, aber wenigstens ist nun dieser verdammte Vertrag erfüllt und wird mir nie wieder das Leben schwer machen. «
»Aber eine Scheidung ist eine ernste Angelegenheit, Julia. Die feinen Leute, mit denen du verkehrst, werden diese Lösung
höchst skandalös finden. Das könnte unangenehme Folgen für dich haben, zumindest, was deinen gesellschaftlichen Stand betrifft. Womöglich werden sie dich nicht mehr zu ihren Partys einladen oder sogar schneiden.«
»Willst du damit andeuten, ich sollte lieber …?«
»Nein, mein Liebling, wenn du das Gefühl hast, du musst das tun, dann unterstütze ich deine Entscheidung. Ich wollte dir lediglich aufzeigen, was schlimmstenfalls passieren kann, aber vielleicht wird es ja gar nicht so arg. Immerhin ist deine Situation einzigartig: Dein Verlobter war so viele Jahre verschwunden, und dann musstest du auch noch drei dieser Jahre auf deine Hochzeit warten. Vielleicht haben sie deswegen Mitgefühl mit dir oder verstehen zumindest, warum du ihm nicht verzeihen konntest.«
Die feinen Leute? Wenn sich in ihren Augen etwas »einfach nicht schickte«, spielten die Gründe keine Rolle. Julia begriff, dass sie wegen dieser Sache womöglich all ihre Freunde verlieren würde.
Ihr Vater schien ihre Gedanken lesen zu können, denn er schlug vor: »Warum sprichst du nicht mit Carol, bevor du aufbrichst, und hörst dir an, was sie dazu zu sagen hat? Von Arthur weiß ich, dass sie seit ihrer Hochzeit nicht mehr nebenan wohnt. Lebt sie denn zu weit weg für einen schnellen Besuch? Ich habe ganz vergessen, sie danach zu fragen, als sie kürzlich hier war, um ihre Freude über meine Genesung zum Ausdruck zu bringen.«
»Sie und Harry leben inzwischen tatsächlich auf seinem Landsitz, aber die beiden haben auch ein Haus in der Stadt. Nachdem gerade die Zeit der Sommerfeste ist, hält sie sich vermutlich noch in London auf. Das ist eine großartige Idee, Papa. Ich würde sie sehr gern noch sehen, bevor ich zu meinem kurzen Karibikurlaub aufbreche.«
Er musste über ihre Wortwahl lachen. »Nachdem du sagst,
dass dir Richards Gesellschaft nicht mehr so unangenehm ist wie früher, kannst du die Reise genauso gut genießen. Die Inseln in dieser Gegend sollen sehr schön sein, wenn auch um diese Jahreszeit vielleicht ein wenig warm.«
»Ein wenig? Bei Richard hat sich das eher nach sengender Hitze angehört. Aber ich habe nicht vor, länger zu bleiben als unbedingt nötig. Ich wünschte, du könntest mitkommen!«
»Das geht leider nicht. Es ginge selbst dann nicht, wenn ich körperlich fit wäre, denn einer von uns muss hier die Stellung halten. Aber
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