Im Taumel der Herzen - Roman
Flasche hinuntergekippt hatte. »Malory hätte dein Gesicht so übel zurichten können, dass du dich hinterher selbst nicht mehr erkannt hättest – nicht einmal in geheiltem Zustand. Warum hat er das nicht getan?«
»Weil das für seinen Geschmack nicht schmerzhaft genug gewesen wäre, vermute ich. Seine Strategie war sehr wirksam: Er hat dafür gesorgt, dass ich ständig nach Luft schnappte … oder auf dem Rücken lag.«
Mit leicht wütendem Unterton fragte Ohr: »Hast du denn verdammt noch mal alles vergessen, was ich dir beigebracht habe?«
Richard kippte ein weiteres Drittel der Flasche hinunter, ehe er antwortete: »Ganz und gar nicht. Ich war ein guter Schüler, das hast du selbst gesagt. Ich habe nicht mal den Versuch unternommen, dem Mann eine zu verpassen, so sehr war ich damit beschäftigt, mich zu verteidigen. Es hat einfach nicht funktioniert. Hast du vergessen, wie der Mann aussieht? «
»Sogar Berge lassen sich zurechtkloppen, aber ich weiß, was du meinst. Malory ist der Typ, den man frühzeitig erwischen
muss, sonst ist es vorbei – für dich. Du hättest liegen bleiben sollen, als er dich das erste Mal auf dem Boden hatte.«
Richard wollte lachen, doch es tat ihm zu weh. »Glaubst du, das habe ich nicht versucht? Er hat mich jedes verdammte Mal wieder hochgerissen.« Richard sprach bereits etwas undeutlich. »Tut mir übrigens leid, dass ich dich heute so auf die Palme gebracht habe. Kein einziges Wort war wirklich so gemeint.«
»Das war mir schon klar – wenn auch leider zu spät. Als ich zurückkam, hattest du bereits das Weite gesucht. Dabei war ich gar nicht so lange weg«, fügte Ohr stirnrunzelnd hinzu. »Was hast du gemacht? Dir deine vornehmen Sachen geschnappt und die Beine in die Hand genommen, um dich anderswo umzuziehen?«
»Mir blieb keine andere Wahl. Ich wusste, dass deine Wut nicht lange anhalten würde. Tut sie doch nie.«
Ohr seufzte. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du dich wegen einer Frau, die du ohnehin nicht haben kannst, derart zum Narren machen würdest. Wobei es dir ja keinerlei Probleme bereitet, sie aus deinen Gedanken zu streichen, wenn du gerade eine andere flachlegst. Hast du dich eigentlich schon einmal gefragt, warum dem so ist?«
Richard gab ihm keine Antwort. Er hatte bereits das Bewusstsein verloren.
11
E rst zwei Tage später brachte Julia den Mut auf, den Malorys, die nur ein paar Häuser weiter wohnten, einen Besuch abzustatten, denn dieses Mal ging es ihr nicht nur darum, ihre Freundin Georgina zu sehen. Sie hoffte, irgendetwas über Jean Paul in Erfahrung zu bringen, das vielleicht zu einem Wiedersehen mit ihm führen würde. Obwohl das einen ziemlich kühnen Versuch von ihr darstellte, konnte sie nicht anders. Dieser Mann ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf! Oder vielmehr der Gedanke, sie könnte tatsächlich ihrem Traummann begegnet sein. Durfte sie ihn da sang- und klanglos wieder aus ihrem Leben verschwinden lassen? Nein, vorher musste sie herausfinden, ob sie recht hatte oder nicht. Diese Erkenntnis hatte letztendlich den Ausschlag gegeben. Sie würde es sonst ihr Leben lang bereuen, wenn sie nicht zumindest den Versuch unternommen hätte.
Natürlich beabsichtigte sie nicht, ihn James gegenüber zu erwähnen, nahm jedoch an, dass es Georgina nichts ausmachen würde, über ihn zu sprechen. Womöglich schmeichelte es ihr sogar ein wenig, dass ein so strammer junger Mann sich in sie verliebt hatte.
Leider musste Julia feststellen, dass es im Haus der Malorys nicht so ruhig zuging wie sonst. Sie hatte vergessen, dass dieses Jahr alle fünf Brüder Georginas in London zusammengekommen waren, um mit ihr Geburtstag zu feiern, und noch
keiner von ihnen wieder in See gestochen war. Nur Boyd lebte fest in London. Warren und seine Frau Amy besaßen zwar ebenfalls ein Haus in der Stadt, verbrachten aber für gewöhnlich die Hälfte des Jahres auf See.
Als man Julia nun mit Clinton und Thomas Anderson bekannt machte – den zwei Brüdern, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatte und die gerade im Gehen begriffen waren –, nahm sie automatisch an, dass die beiden bis zu ihrer Rückreise nach Amerika bei ihrer Schwester wohnten.
Julia ließ auch gleich eine dahin gehende Bemerkung fallen, als sie zu Georgina in den Salon trat, wo es mit dem Begrüßen und Vorstellen nahtlos weiterging. Es waren zwei von Georginas Schwägerinnen da, sowie Boyd, Georginas jüngster Bruder. Boyds Frau Katey kannte Julia bereits. Dagegen war sie zwar
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