Im Taumel der Herzen - Roman
daraufhin umdrehte, feststellen musste, dass ihr Mann es gesehen hatte –, war ihm bewusst gewesen, dass dieser Tag kommen würde. Trotzdem war er damals das Risiko eingegangen, weil er sie so sehr begehrte. Nun musste er dafür bezahlen. Es war seine eigene Schuld, dass er sich nach seinem letzten Zusammentreffen mit Malory eingebildet hatte, James würde ihn nicht wirklich umbringen wollen. Damals war dieser Mann in die Karibik gereist, um Gabby zu helfen, ihren Vater zu retten. Dabei hatte er Richards Anwesenheit völlig ignoriert und sich stattdessen ganz und gar auf seine Aufgabe konzentriert. Weshalb Richard der Warnung von James, er würde ihm etwas antun, wenn er sich je wieder in die Nähe seiner Frau wage, nicht genug Glauben geschenkt hatte.
Heute hatte er James zu beschwichtigen versucht: »Ich wollte doch gerade gehen …!«
»Nicht schnell genug.«
Der zweite Schlag, ein Aufwärtshaken, hatte ihn mit solcher Wucht an der Wange getroffen, dass er sich auf seinem Hinterteil wiederfand. Ihm war vage bewusst, dass mindestens die Hälfte der Männer, die sich auf der Terrasse und in dem kleinen Garten befunden hatten, nun rasch über die Gartenmauer
flüchteten – zweifellos in der Annahme, dass man Lady Reginas Onkel dazu ausersehen hatte, die ungebetenen Partygäste hinauszuwerfen.
»Das reicht!«, stöhnte Richard, nachdem er sich wieder hochgerappelt hatte. »Sie haben Ihren Standpunkt sehr deutlich gemacht.«
Beim letzten Schlag war das dünne Porzellan seiner Maske in viele kleine Teile zerborsten, die nun rund um seine Füße auf dem Boden verstreut lagen. In dem Moment, als die Maske an seiner Wange brach, hatte er das scharfe Stechen der Schnittwunden gespürt, vermischt mit dem großflächigeren Schmerz, den James’ hammerharte Faust verursachte, doch mittlerweile wurde seine Wange bereits taub.
Wieder auf den Füßen, hatte er endlich Gelegenheit, sich James Malory genauer anzusehen, und fasste neuen Mut, denn der Mann wirkte überhaupt nicht wütend. Er hätte auch extrem gelangweilt sein können, so ausdruckslos war seine Miene.
Umso mehr hatte Richard das Gefühl, dass sich ihm der Magen umdrehte, als James antwortete: »Wir haben gerade erst angefangen.«
Wäre der Kerl nicht so ein Grobian gewesen, hätte Richard vielleicht eine Chance gehabt. Ohr hatte ihm ein paar ungewöhnliche asiatische Tricks beigebracht, denen es zu verdanken war, dass er nie auch nur einen Kratzer davontrug, wenn er und der Rest von Nathans Mannschaft wieder einmal in eine Schlägerei gerieten – was angesichts der Sorte Gasthäuser, in denen sie verkehrten, ziemlich häufig vorkam. Auch an diesem Abend hatte er in puncto Verteidigung alles richtig gemacht, ihm war nur von Anfang an klar gewesen, dass es nichts bringen würde. Dieser bestimmte Malory war einfach nicht aufzuhalten. Gabrielle hatte schon dafür gesorgt, dass ihm das klar war, als sie ihm James’ Warnung überbrachte, er würde ihn töten, wenn er ihm je wieder unter die Augen träte.
Dieser Mann war ein außergewöhnlich guter Boxer, der im Ring noch nie – noch kein einziges Mal – geschlagen worden war. Richard wusste das von Gabrielle, aber im Grunde brauchte man Malory nur anzusehen. Er hatte so viel Kraft im Oberkörper, und Fäuste wie Vorschlaghämmer.
Angesichts von Richards Vergehen fiel die Strafe sehr hart aus. So schlimm war er in seinem ganzen Leben noch nicht verprügelt worden. James hörte erst auf, als sein Gegner das Bewusstsein verlor. Inzwischen wünschte Richard, er wäre schneller k. o. gegangen. Die meisten der Männer, die zunächst aus dem Garten geflüchtet waren, als die Gewalttätigkeiten begannen, waren zurückgekehrt, um sich das Schauspiel anzusehen. Sie hingen mit dem Oberkörper über der Mauer, allerdings von der Außenseite, wo sie sich sicher vor Malory fühlten. Einige von ihnen empfanden am Ende doch Mitleid mit Richard, sodass sie ihn aus dem Garten zogen und in eine gerade vorbeikommende Kutsche verfrachteten, nachdem James in den Ballsaal zurückgekehrt war.
»Nun sag schon!«, drängte Ohr ihn.
»Malory«, lautete Richards knappe Antwort.
»Dann wirst du einen Arzt brauchen.«
Rasch eilte Ohr zur Tür, um den jungen Hotelpagen noch zu erwischen, ehe er am Ende des Korridors um die Ecke bog, doch der Junge hatte denselben Gedanken gehabt. Als Ohr die Tür öffnete, war der Page gerade im Begriff, zu klopfen.
»Ich dachte mir, Ihr Freund braucht vielleicht …«
»Einen Arzt, ja, vielen
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