Im Taumel der Herzen - Roman
Nachdem sie nun beide klatschnass waren, ließ sich kaum vermeiden, dass ihre Eltern mitbekamen, was passiert war. Julia wurde von den ihren sofort nach Hause gebracht. Sie hoffte, dass Richard wieder eine Tracht Prügel bezog.
Ein weiteres Jahr verging. Die Freundschaft, die sie mit ihrer
Nachbarin Carol schloss, verfestigte sich immer mehr, bis sie schließlich beste Freundinnen waren. Wenn Julia mit Carol zusammen war, musste sie nie an Richard denken. Die beiden Mädchen wurden unzertrennlich. Julia wusste, dass ihr Vater erneut versucht hatte, jene schreckliche Verlobung zu lösen. Sie hatte mitbekommen, wie ihre Eltern darüber sprachen und wie verärgert Gerald war, weil der Graf sich weigerte, seinem Wunsch zu entsprechen. Ihre Mutter jedoch plädierte nach wie vor für die Verbindung und gab immer wieder zu bedenken, dass sich die Feindseligkeit zwischen den Kindern bestimmt legen würde, wenn sie erst einmal älter waren. Sie flehte ihren Mann an, dem Ganzen noch ein bisschen Zeit zu geben und nichts zu überstürzen. Am Ende räumte er ein, dass es vielleicht wirklich nicht nötig war, wegen einer Angelegenheit, die sich immer noch zum Guten wenden konnten, einen großen Streit mit dem Grafen auszutragen.
Mit sieben Jahren war Julia bereits ein wenig größer, aber immer noch sehr dünn. Außerdem war sie mittlerweile der festen Überzeugung, reif genug zu sein, um ihren unverschämten Verlobten ertragen zu können, ohne dass ständig ihr Temperament mit ihr durchging. Zur großen Freude ihrer Mutter schlug sie sogar einen weiteren Besuch vor. Helene erhoffte sich immer noch wunderbare Dinge von dieser Verbindung.
Dieses Mal wollten sie das ganze Wochenende in Willow Woods verbringen. Allerdings war geplant, die Kinder keine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Anfangs lief alles recht gut. Charles spielte eine Partie Dame mit Julia. Sie mochte ihn. Er sah genauso gut aus wie sein Bruder, war nur viel älter, wenn auch noch nicht ganz erwachsen. Obwohl ihr klar war, dass er sie gewinnen ließ, tat es ihr trotzdem gut. Dann löste Richard ihn ab und ließ sich ihr gegenüber am Tisch nieder. Noch nie waren sie einander so nahe
gewesen, ohne dass es sofort zu einem Ausbruch von Gewalt kam.
»Meine Freunde nennen mich Julie«, erklärte sie ihrem Verlobten schüchtern, während ihr erstes Damespiel seinen Lauf nahm, »das hat nicht so viele Silben wie Julia.«
»Klar, damit wäre deine Zunge bestimmt noch überfordert«, antwortete er, ohne hochzublicken. »Mir gefällt Jewels besser. Rich und Jewels, das klingt nach einem richtig wohlhabenden Paar! Kapiert?«
Unglücklicherweise verstand sie tatsächlich, was er meinte. »Das gefällt mir nicht.«
»Ich habe dich nicht um deine Erlaubnis gebeten. Außerdem trifft es einfach den Nagel auf den Kopf. Rich und Jewels. Das ist unser einziger Daseinszweck: die Taschen meines Vaters mit Reichtum zu füllen.«
»Ich habe gesagt, der Name gefällt mir nicht!«, zischte sie ihn an.
»So ein Pech aber auch, Jewels!«
Von da an nannte er sie nur noch so, und sie sah jedes Mal rot, genau wie an jenem Tag. Abrupt stand sie auf und ging auf die Terrasse hinaus, um bis hundert zu zählen. Diesen Trick hatte ihr Kindermädchen ihr beigebracht, und er funktionierte! Zumindest hatte sie nicht unter dem Tisch nach ihm getreten. Sie hatte den Tisch auch nicht umgestoßen und Richard die Kante in den Schoß gerammt. Nein, sie hatte nicht einmal mit den Damesteinen nach ihm geworfen, was ziemlich schmerzhaft gewesen wäre, weil sie aus schwerem bemalten Metall bestanden. Stattdessen hatte sie den Raum verlassen. Als sie schließlich zurückkehrte, stellte sie erstaunt fest, dass er immer noch an dem kleinen Spieltisch saß. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er auf sie warten würde.
In steifer Haltung gesellte sie sich wieder zu ihm. Prompt gewann er das Spiel, woraufhin sie sofort Revanche forderte.
Wider Erwarten tat er ihr den Gefallen. Bald wünschte sie, er hätte es nicht getan. Er gewann jedes einzelne Spiel und grinste jedes Mal höhnisch. Trotzdem gab sie nicht auf und bestand auf immer neuen Runden, bis es schließlich Zeit fürs Abendessen war.
Sie hatten es geschafft, einen ganzen Tag miteinander zu verbringen, ohne sich in die Haare zu geraten. Julia hatte sich zusammengerissen und seine Beleidigungen ignoriert. Sie war nun reif genug, um ihn auf die richtige Art zu behandeln, und deswegen unglaublich stolz auf sich!
Gleich nach dem Abendessen ging sie
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