Im Taumel der Herzen - Roman
ein Pech, dass ihre gegenseitige Abneigung so tief wurzelte, dass sie nach all den Jahren immer noch existierte! Hätten sie sich unter anderen Umständen kennengelernt, hätten sie das perfekte Paar werden können, ein Traumpaar wie Carol und Harry. So aber ergaben sie die schlimmste Kombination, die man sich nur vorstellen konnte.
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D ie Vernunft hatte wieder die Regie übernommen! Gerade noch rechtzeitig, dachte Julia, denn ein paar Stunden Tageslicht blieben ihr immerhin. Wobei der Einbruch der Nacht sie auch nicht abgehalten hätte – nun, da ihr klar war, wie sie weiter vorgehen wollte.
Sie hatte sich dazu lediglich ins Gedächtnis rufen müssen, dass sie eine Geschäftsfrau war. Sie wusste, wie man sich mit jemandem auf ein Geschäft einigte. Immerhin erwarb sie seit nunmehr fünf Jahren immer neue Geschäftszweige und wies ihre Anwälte an, die Vertragsbedingungen für sie auszuhandeln. Natürlich ging es bei diesen Verträgen nur um den Broterwerb der betroffenen Leute und nicht um die intimeren Aspekte ihres Lebens, aber ein Vertrag war ein Vertrag, und sie war fest entschlossen, mit Richard Allen einen neuen abzuschließen.
Nachdem sie sich beruhigt hatte, begriff sie, dass es eine hervorragende Idee war, direkt mit ihm zu verhandeln, statt ihre Situation dem Zufall zu überlassen. Bestimmt würde er einverstanden sein. Der Plan, den sie im Sinn hatte, würde jedes Band zwischen ihnen endgültig durchtrennen, und genau das wollten sie ja beide. Sie musste seine Anwesenheit nur noch ein einziges Mal für kurze Zeit ertragen – lange genug, um ihm den Vorschlag zu unterbreiten, dass er sich noch ein paar Wochen verstecken sollte, bis er offiziell für tot erklärt war. Danach
konnte er sich zu erkennen geben oder auch nicht, auf jeden Fall wäre er nie wieder gezwungen, unterzutauchen, um eine Ehe mit ihr zu vermeiden.
Sie kehrte also zum Coulson’s Hotel zurück und steuerte erneut auf den Empfang zu. Die Aussicht, dass Richard nun bald keine beherrschende Rolle mehr in ihrem Leben spielen würde, ließ sie wesentlich energischer auftreten als beim ersten Mal. Als sie den Herrn am Empfang jedoch aufforderte, er möge nach ihm schicken und ihn bitten, zu ihr in die Eingangshalle hinunterzukommen, antwortete der Mann: »Die beiden Gentlemen sind nicht mehr da, Ma’am. Sie wohnen mittlerweile nicht mehr in unserem Hotel.«
Julia geriet deswegen keineswegs in Panik, sondern war eher erleichtert, da sie davon ausging, dass Richard keine Zeit verloren und England bereits wieder verlassen hatte – vermutlich, weil sie beide sich hier zufällig in die Arme gelaufen waren. Sie fand es viel angenehmer, wenn er von selbst verschwand, als wenn sie sich noch einmal mit ihm auseinandersetzen musste. Nur um ganz sicherzugehen, dass er das Land tatsächlich verlassen hatte, bat sie ihren Fahrer, sie zu Boyd Andersons Haus zu bringen, wo sie Gabrielle anzutreffen hoffte. Was leider nicht der Fall war. Der Butler informierte sie darüber, dass die meisten Andersons wieder bei Georgina weilten. Deswegen machte sie auf dem Heimweg auch dort kurz halt. Zum Glück war sie recht gut mit Artie bekannt, dem brummigen alten Seebären, der zusammen mit einem zweiten, ähnlich ungewöhnlichen Exemplar als James Malorys Butler fungierte. Als Artie ihr nun die Tür öffnete, fragte sie ihn, ob er Gabrielle kurz herholen könnte, statt sie, Julia, hineinzuführen.
Nachdem er ihr den Gefallen getan hatte, setzte doch wieder die Panik ein. Nein, erklärte Gabrielle, Jean Paul würde das Land bestimmt nicht verlassen, ohne sie darüber in Kenntnis zu setzen. Nein, sie hätte ihn seit gestern, als sie beide bei
ihm im Hotel waren, nicht mehr gesehen und dort auch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen, sodass sie keine Ahnung hätte, wieso er und Ohr das Hotel wechseln sollten, nachdem ihr Zimmer doch bereits bezahlt gewesen wäre. Julia dankte Gabrielle und eilte wieder davon, was vermutlich zur Folge hatte, dass die junge Frau ziemlich verwirrt zurückblieb. Doch Julia war mittlerweile sicher, dass Richard nicht nur das Hotel gewechselt hatte, um für sie außer Reichweite zu sein. In ihr nagte der Gedanke, dass er sich womöglich gerade auf dem Weg nach Hause befand, um seinen Bruder noch einmal zu sehen, ehe er England wieder verließ. Die Vorstellung, sein Vater könnte ihn dabei erwischen, jagte ihr große Angst ein.
Aber vielleicht konnte sie ihn aufhalten, ehe er Willow Woods erreichte und in ihrer beider Leben
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