Im Taumel der Sehnsucht
morgens, als Caroline endlich in ihrem Bett lag. Unzählige Fragen schossen ihr durch den Kopf, und alle hingen mit Bradford zusammen. Warum war es ein solches Wunder, daß er lachte? Sie durfte nicht vergessen, ihn danach zu fragen.
Als Caroline endlich einschlief, lag ein Lächeln auf ihren Lippen.
Wie immer erwachte Caroline bei Tagesanbruch, aber diesmal fand sie das ganz und gar nicht angenehm. Sie hatte kaum vier Stunden geschlafen, und die Ringe unter den Augen machten das für jedermann sichtbar.
Sie zog ein beigefarbenes Tageskleid an und band ihr Haar zurück. Kurz darauf ging sie nach unten, um sich auf die Suche nach einer Tasse Tee zu machen.
Das Eßzimmer war leer, und nirgendwo stand eine Teekanne herum. Caroline wanderte durch den langen Flur, bis sie schließlich die Küche fand. Eine Frau, von der Caroline annahm, daß sie die Köchin war, saß neben dem Herd auf einem Stuhl.
Caroline stellte sich vor und blickte sich in dem großen Raum um. Entsetzt registrierte sie die schmierigen Wände und den dreckigen Boden, und je länger sie sich umsah, desto wütender wurde sie.
»Ich heiße Marie«, sagte die Köchin. Dann brach es trotzig aus ihr heraus: »Ich bin noch nicht lange hier. Ich weiß, wie furchtbar es hier aussieht, aber ich hatte noch keine Zeit, zu putzen.«
Caroline warf ihr einen scharfen Blick zu, und die Köchin zog den Kopf ein. »Ich kann Ihnen genauso gut sagen, was los ist«, fuhr die Frau kleinlaut fort. »Ich habe den Braten schon wieder verdorben.«
»Die Küche sieht aus wie ein Schweinestall«, stellte Caroline mit Abscheu fest.
Die Köchin schien jedoch erst einmal andere Sorgen loswerden zu müssen. »Das Brot ist so trocken, daß man es nicht essen kann«, sagte sie. »Bestimmt werde ich entlassen, und was wird dann aus mir?« Sie brach in Tränen aus und vergrub das Gesicht in ihrer dreckigen Schürze. Caroline stand daneben und wußte nicht, was sie tun sollte.
»Hat man dir bei deiner Einstellung nicht gesagt, was von dir erwartet wird?« fragte sie schließlich.
Ihre Frage schien die Köchin erst recht zu erschüttern. Die Schluchzer wurden noch lauter und verzweifelter.
»Nun beruhige dich!« befahl Caroline scharf, und Marie gehorchte augenblicklich, indem sie den Kopf hob und nach Atem rang.
»Ich hab' gelogen, und Toby hat mir geholfen, die Referenzschreiben aufzusetzen«, gestand sie schniefend. »Ich weiß ja, daß das Betrug ist aber ich brauchte doch so dringend 'ne Arbeit! Toby bringt nich' genug nach Hause, und ich muß ein paar Schillinge verdienen, um Klein-Kirby durchzubringen!«
»Wer sind Toby und Kirby?« fragte Caroline freundlicher. Marie schien grundsätzlich ein anständiger, ehrlicher Mensch zu sein, und Caroline konnte ihr Mitleid nicht unterdrücken.
»Mein Mann und mein Junge«, antwortete Marie. »Ich koch' für sie, und die zwei beschweren sich so gut wie nie, und da dachte ich, ich könnt's ja auch mal bei 'nem Earl versuchen«, fuhr sie fort. »Aber nun wird er mich bestimmt entlassen, und dann steh' ich auf der Straße und weiß nich', was ich tun soll.«
Caroline betrachtete Marie nachdenklich. Sie war nicht gerade dick, aber das fand Caroline kaum verwunderlich. Das, was Marie kochte, war so gut wie ungenießbar, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß Marie sich freudig darüber hermachte.
»Werden Sie's Ihrem Vater sagen?« fragte die Köchin nun, während sie nervös einen Zipfel ihrer Schürze zwirbelte.
»Vielleicht können wir so etwas wie eine Abmachung treffen«, erwiderte Caroline. »Wieviel liegt dir daran, diese Anstellung zu behalten?«
»Oh, ich würde alles dafür tun, Miss, alles!« beteuerte Marie ihr hastig. Ihr Eifer verriet Caroline, daß die Frau kaum älter als sie selbst sein konnte, und als sie sich nun das Gesicht genauer ansah, stellte sie fest, daß es noch faltenlos war. Was Marie viel älter erscheinen ließ, waren ihre Augen. Sie wirkten müde und stumpf.
»Du hast doch bestimmt schon meinen Freund Benjamin kennengelernt, nicht wahr?« fragte sie.
Marie nickte. »Man hat mir gesagt, er würde für Ihre Sicherheit sorgen.«
»Das ist richtig«, bestätigte Caroline. »Aber er kann auch sehr gut kochen. Ich werde ihn bitten, demnächst unsere Mahlzeiten zuzubereiten, und du wirst ihm dabei zusehen und helfen. Auf diese Weise kannst du viel lernen.«
Marie nickte erneut und versprach zu tun, was immer Benjamin ihr auftragen würde.
Benjamin lächelte, als Caroline ihm die Lage
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